10 Gedanken zum Karfreitag

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10 Gedanken zum Karfreitag

Rainer Langlitz
Veröffentlicht von Rainer Langlitz in Theologoumena · Freitag 02 Apr 2021
Zehn Gedanken zum Karfreitag

Fleisch essen ja oder nein?


Worum geht es bei dieser Sitte, an Karfreitag kein (!) Fleisch zu essen?

Ja, es geht um Respekt.
Ja, es geht um Erinnerung.
Ja, es geht um Pietät.

Aber es geht auch um:

einen subjektiven Aspekt: es geht um eine kritische aufgeklärte Sichtweise, um meine persönliche Freiheit und um die Sinnlosigkeit an dieser Stelle, ein schlechtes Gewissen zu haben.

einen objektiven Aspekt: Verändert es irgendwas, wenn ich heute kein Fleisch esse? Wird dadurch irgendetwas besser in der Welt? (objektiver Aspekt).

einen theologischen Aspekt: es geht um die Überlegung, wie ich mir Gott vorstelle: Ist Gott so etwas wie ein "King Kong", der rhythmisch eine Opfergabe von mir verlangt? (theologischer Aspekt).

Macht sich Ihr (christlicher) Glaube wirklich daran fest, dass Sie am Karfreitag kein Fleisch gegessen haben?

Dazu meine zehn Gedanken, um ggf. eine andere Sichtweise zu erlangen:

1.) Sei Dir bewusst darüber, dass nicht alles, was Du tust, sinnvoll ist!
2.) Du sollst glücklich sein!
3.) Du sollst nicht leiden!
4.) Du sollst Dich frei fühlen!
5.) Du musst kein schlechtes Gewissen haben!
6.) Glaube ist gut, aber glaube nicht, dass Du durch Glaube ein besserer Mensch bist!
7.) Genieße es, frei entscheiden zu dürfen!
8.) Tue es für Dich, wenn Du es willst - aber stelle es nicht zur Schau!
9.) Sei Dir bewusst über allgemeine notwendige Gesetze in Bezug auf eine vernünftige Ethik!
10.) Verliere Dich nicht in Kleinglauberei!



zu 1.) Sei Dir bewusst darüber, dass nicht alles, was Du tust, sinnvoll ist!

Was sollte Gott davon haben, dass wir heute kein Fleisch essen?

Es ist in etwa derselbe Gedanke, wie wenn ich sage:

"Werft bitte kein Essen weg. In Afrika hungern Menschen."

Werfe ich jedoch Nahrungsmittel nicht weg, werden dann Menschen in Afrika plötzlich satt?

Tue ich Gott damit einen Gefallen, wenn ich heute kein Fleisch esse, sonst aber sehr wohl?
 
Es ist ähnlich, wie wenn ich in die Kirche zum Gottesdienst gehe, bete, dann nach Hause gehe und trotzdem undankbar bin darüber, dass meine Frau mir etwas Leckeres gekocht hat.
 


zu 2.) Du sollst glücklich sein!

Gott braucht nicht ein Opfer (für sich) von dir.
 
Du (!) musst/sollst/darfst glücklich sein. Du brauchst Gott nicht glücklich zu machen.



zu 3.) Du sollst nicht leiden!

Wie oft willst du eigentlich noch den Leidenden spielen?
 
Willst du ab jetzt glücklich werden und sein oder weiterhin an einem schlechten Gewissen leiden?
 
 

zu 4.) Du sollst Dich frei fühlen!

Es geht um Freiheit. Widerspricht menschliche Freiheit dem göttlichen Gesetz?
 
Was bedeutet Freiheit? Freiheit ist das Gegenteil zur Abhängigkeit und zum Gefangen sein.
 
Wir tun Dinge lieber, wenn wir frei sind, als wenn wir gezwungen werden. Das wissen schon lange Psychologen. Intrinsische Motivation ist wichtiger als extrinsische, die auf Dauer nicht haltbar ist oder zu großen Zwängen führt. Natürlich kann man sagen: „Du hältst es nicht mal aus, nur 1 Tag auf Fleisch zu verzichten?“ Wahre Freiheit weiß um ihre Notwendigkeit (Hegel:  „Freiheit ist Einsicht in die Notwendigkeit.“) Bietet mir das Leben nicht schon genug an Pflichten, Gesetzen und Zwängen bzw. Notwendigkeiten? Sterben muss ich einmal – sonst nichts.
 
 

zu 5.) Du musst kein schlechtes Gewissen haben!

Wenn Gott zu 100% Liebe ist, sollte er dich dafür nicht mehr lieben, nur weil du heute nicht darauf verzichtet hast, Fleisch zu essen?
 
 

zu 6.) Glaube ist gut, aber glaube nicht, dass Du durch Glaube ein besserer Mensch bist!

Angeblich soll man heute als Christ kein Fleisch essen, weil Jesus als Sohn Gottes am Kreuz gestorben ist. Angeblich hat Gott mich damit von Sünde (als Trennung von Gott) und von ewiger Verdammnis befreit. Und deswegen muss ich jetzt dankbar sein, oder wie? Sünde als Trennung von Gott ist ein Gefühl. Gefühle entstehen durch die Bewertung meiner eigenen Gedanken. Dieses unsinnige Moraldenken „Heute darf ich kein Fleisch essen“ trifft mich doch wie ein Schlag ins Gesicht, wenn ich dann doch Fleisch gegessen habe, so dass ich dann wieder von Gott mich getrennt fühle. Ja, es tut gut daran zu glauben, dass Gott so etwas getan haben mag (für mich? für alle? oder nur für die, die daran glauben?). Hier ist doch schon wieder der Punkt: Ich soll daran glauben. Und wenn ich es nicht tue, dann lande ich doch in der Verdammnis, oder wie? Was macht es denn dann für einen Sinn, ob ich heute Fleisch esse und dann verdammt bin, aber dann doch wieder durch meinen Glauben von Verdammnis durch den Tod Jesu am Kreuz gerettet bin?
 
Angenommen, ich wüsste gar nicht, dass es solch einen (christlichen) Glauben gibt? Was ist denn mit jenen Menschen, die davon gar nichts wissen? Es geht also lediglich um identitätsstiftende Moralvorstellungen, die auch noch ein schlechtes Gewissen verursachen und mich damit unglücklich machen.
 
 

zu 7.) Genieße es, frei entscheiden zu dürfen!

Die Freiheit des Menschen ist der Kirche ein Dorn im Auge! Freiheit ist jedoch ein hohes Gut. Wie unterdrückend dem gegenüber christliche Kirche sein kann bzw. ist, zeigt sehr schön Dostojewskis Roman „Die Brüder Karamasow“. In jenem Roman beschreibt Dostojewski, dass lt. Kirche die Freiheit des Menschen unterdrückt werden müsse – anders könne der Mensch nicht gebändigt werden. Dostojewski beschreibt in jenem Roman auf fiktive, aber sehr deutliche Weise die Bereitschaft bestimmter Inquisitoren, sogar den zurück gekommenen Christus erneut ins Gefängnis einzusperren, ihn erneut umzubringen und damit wieder zu beseitigen, weil Christus erneut für die Freiheit des Menschen eintrat, was der Kirche aber deutlich ein Dorn im Auge ist – so im Roman, und so auch sehr nahe an der Wirklichkeit: Kirche unterdrückt die Freiheit! Diese Vorstellung, heute am Karfreitag kein Fleisch zu essen, zähle ich genau dazu.   
 


zu 8.) Tue es für Dich, wenn Du es willst - aber stelle es nicht zur Schau!

Selbst Jesus wird in der Bibel als jemand beschrieben, der folgendes sagt:
 
a) Nicht der Mensch ist für den Sabbat da, sondern der Sabbat ist für den Menschen da.

Was heißt das?

Das bedeutet, der Sabbat ist ein Geschenk für den Menschen. Es ist kein Gesetz, für das bei einem Verstoß strenge Bestrafung erfolgt.

b) Selbst, wenn du fastest, sagt Jesus, darfst du/sollst du sogar wohlriechende Öle benutzen und du sollst dein Fasten nicht den anderen zur Schau stellen.

Was heißt das?

Wenn du schon etwas aus tiefer religiöser Überzeugung tun willst, dann tue es allein für Gott, aber nicht, um von anderen bewundert zu werden.
 


zu 9.) Sei Dir bewusst über allgemeine notwendige Gesetze in Bezug auf eine vernünftige Ethik!

Mit der Bibel kann man so und so argumentieren. Man findet für alles Pro und Contra-Argumente. Von daher ist es sinnvoll, das Allgemeine zu finden und nicht einen Katalog von einzelnen unsinnigen Einzelgeboten zu leben und zu befolgen. Sinnvoller ist Kants „Kategorischer Imperativ“ oder die sog. „Goldene Regel“. Kant würde in etwa sagen – vielleicht:

Es geht nicht darum, dass Du Gott einen Gefallen tust, sondern deinen Mitmenschen, deinem Nächsten (biblisch-religiös ausgedrückt). Kant denkt an dieser Stelle ggf. an dieser Stelle weniger aus religiösen Überzeugungen, sondern er denkt in einer ethischen Weise als Lehre vom sittlichen Handeln. Es geht darum, auf der Ebene des Menschseins zu handeln in einer allgemein vernünftigen und ethisch verantwortlichen Weise. Denke - so sagt Kant - bei deinem Handeln, ob dein Handeln Maßstab und Richtschnur für ein notwendiges Gesetz für alle Menschen sein kann oder sein sollte. Ich erspare mir weitere Ausführungen...
 


zu 10.) Verliere Dich nicht in Kleinglauberei!

Halten wir uns hier etwa an ein einzelnes Gebot oder wie halten wir es mit der Religion?
 
Sind wir jetzt Erbsenzähler oder wie stark glauben wir eigentlich wirklich an das, was wir Gott nennen? Was bedeutet es eigentlich an Gott zu glauben? Diese Frage ist sehr persönlich – von 100 befragen Menschen werden wir 100 verschiedene Antworten erhalten.


Worum geht es bei dieser Sitte, an Karfreitag kein (!) Fleisch zu essen?

Ja, es geht um Respekt.
Ja, es geht um Erinnerung.
Ja, es geht um Pietät.

Aber es geht auch um:

einen subjektiven Aspekt: es geht um eine kritische aufgeklärte Sichtweise, um meine persönliche Freiheit und um die Sinnlosigkeit an dieser Stelle, ein schlechtes Gewissen zu haben.
einen objektiven Aspekt: Verändert es irgendwas, wenn ich heute kein Fleisch esse? Wird dadurch irgendetwas besser in der Welt? (objektiver Aspekt).
einen theologischen Aspekt: es geht um die Überlegung, wie ich mir Gott vorstelle: Ist Gott so etwas wie ein "King Kong", der rhythmisch eine Opfergabe von mir verlangt? (theologischer Aspekt).
 

Rainer Langlitz


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