Ein Sinneswandel: Gedanken zur Bibel, zum Buß- und Bettag und zur Advents- und Weihnachtszeit

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Ein Sinneswandel: Gedanken zur Bibel, zum Buß- und Bettag und zur Advents- und Weihnachtszeit

Rainer Langlitz
Veröffentlicht von Rainer Langlitz in Essays · Mittwoch 03 Nov 2021
Ein Sinneswandel: Gedanken zur Bibel, zum Buß- und Bettag und zur Advents- und Weihnachtszeit

Ein Aufruf zu mehr Individualisierung, zu mehr Allein-Sein und zu einer stärkeren Begegnung mit mir selbst

Könnten wir es schaffen, einen Sinneswandel vorzunehmen à la:

Wie schaffe ich es...

  • mit mir selbst in Kontakt zu sein.
  • mit mir selbst zu kommunizieren, zu sprechen.
  • mit mir selbst in einer liebevollen Beziehung zu leben.

?
 
 
Seit Ende des 19. Jahrhunderts wird ein allgemeiner Buß- und Bettag am Mittwoch vor dem Ewigkeitssonntag, dem letzten Sonntag des Kirchenjahres, begangen. Im Jahr 1994 wurde beschlossen, den Buß- und Bettag als arbeitsfreien Tag mit Wirkung ab 1995 zu streichen, um die Mehrbelastung für die Arbeitgeber durch die Beiträge zur neu eingeführten Pflegeversicherung durch Mehrarbeit der Arbeitnehmer auszugleichen.
 
 

Unter dem Begriff „Beten“ oder „Gebet“ kann sich der ein oder andere vielleicht noch etwas vorstellen – vielleicht aber auch nicht.
 
 

Mit dem Wort „Buße“ wird es schon schwieriger…
 
 

Wir kennen das Wort „Buße“ vom deutschen Wort „einbüßen“.

 
Der Duden erklärt das Wort „einbüßen“ mit „den Verlust einer Sache (oder Person) erleiden; verlieren“.
 

Doch damit kommen wir dem Begriff „Buße“ noch nicht ganz nahe.
 
 

Als dieser Mittwoch noch ein protestantischer Feiertag (also bis 1995) war, war dieser Buß- und Bettag für die eine Gruppe von Menschen oftmals eher ein Buß- und „Bett-t-ag“, an dem man durchaus mal länger schlafen konnte.

 
Für die andere Gruppe von Menschen war und ist der Buß- und Bettag immer noch ein wichtiger Vorbereitungstag für die Adventszeit: Christinnen und Christen erinnern sich in der Adventszeit an ihre Erwartung der Wiederkunft Christi (Parousia, adventus Domini). Christinnen und Christen bereiten sich mit dem Buß- und Bettag auf die Adventszeit vor: Sie bekennen mit einem allgemeinen Schuldbekenntnis ihre Sünden/ihre Schuld und erhalten dafür eine Absolution (Freisprechung von Schuld), um vorbereitet zu sein für ein mögliches Gericht bei der Wiederkunft Christi.
 
 
Selbstverständlich ist der Begriff „Buße“ ein biblischer Begriff.

 
Das alt-griechische Wort für „Buße“ ist μετάνοια (Sinnesänderung, Buße, Umkehr, Bekehrung); der Infinitiv ist μετανοέω (seinen Sinn ändern, Buße tun, Reue zeigen).
 
 
Wir kennen im Alten Testament (Hebräische Bibel) Erzählungen, in denen zur Umkehr/zur Bekehrung aufgerufen wird. Exemplarisch seien die folgenden Stellen genannt:
 

Genesis 18, 20 – 33 (Strafgericht über Sodom und Gomorra)
 
Exodus 7 ff. (Strafgericht über den Pharao)
 
Jeremia 2 - 6 (Gerichtswort gegen Israel und Juda)
 
Jona 3, 4 -10 (Strafgericht über Ninive)


Exkurs (Einblick in biblische Zusammenhänge):
 

Im Neuen Testament ruft auch Jesus zur Umkehr (Buße) auf. Jesus trat zuerst in Galiläa öffentlich auf. Im Alter von 30 Jahren (Lukas 3,23) beginnt sein Wirken mit seiner Kernverkündigung: „Die Zeit ist erfüllt, und das Reich Gottes ist herbeigekommen. Tut Buße und glaubt an das Evangelium!“ (Markus 1, 14.15). Mit dem Beginn des Wirkens Jesu in Galiläa predigt er den Menschen vom Reich Gottes. In dieser Verkündigung von dem Angekommensein des Reiches Gottes ruft Jesus die Menschen zur Umkehr auf, zur Buße, zur Reue, einen Sinneswandel (Buße) vorzunehmen, in eine andere Richtung zu schauen, sich nicht mehr in Versuchung bringen zu lassen, nicht mehr „verdreht“ rückwärts zu schauen, sondern in Richtung des Kreuzes. Das Entscheidende ist, auf das Kreuz zu blicken, Jesus nachzufolgen bis nach Jerusalem mit Blick auf sein Leiden und Sterben. (Lukas 9, 57 – 62). Der Mensch soll in der Nachfolge Jesu das eigene Kreuz[1] auf sich nehmen und nicht mehr zurückblicken, um so für das Reich Gottes geschaffen zu sein. Jesus nachzufolgen bis Jerusalem, bis zum Kreuz, soll bewirken, im Raum des Reiches Gottes zu sein in einem Raum der Liebe.[2]


Das Volk der Israeliten war nach dem Auszug aus Ägypten und nach der sogenannten Landnahme (um 1500 v. Chr.), die im Buch Josua beschrieben wird, immer wieder zahlreichen Kriegen ausgesetzt. Dieses kämpfende Volk Israel geht auf Jakob zurück, den Sohn Isaaks, der wiederum von Abraham abstammte. In Genesis 32, 23 wird beschrieben, wie ein Mann in der Gestalt Gottes selbst mit Jakob kämpft, woraufhin Jakobs Namen zu „Israel“ (Kämpfer Gottes) abgeändert wird. In Genesis 49 wird schließlich sehr bildhaft beschrieben, dass Jakob seine 12 Söhne segnet. Er kündigt damit Ereignisse an, die auf diese späteren 12 Stämme zukommen werden. In Genesis 49 wird auf diese Weise ein Vorausblick des Volkes Israel gegeben.[3]

 
Das 5. Buch Mose schließlich greift vorherige Beschreibungen erneut auf und nimmt nochmaligen Bezug auf die Zehn Gebote. Auch das Bild der Menge der Sterne als Bild für die zahlreiche Nachkommenschaft und die damit in Erfüllung gegangene Segnung Abrahams aus Genesis 12, 1ff. wird erneut aufgegriffen. So nimmt Deuteronomium 1, 10 deutlichen Bezug zu Genesis 15, 5.

 
Im Alten Testament wird damit ein heilsgeschichtlicher Ablauf des Volkes Israels beschrieben - angefangen von der Schöpfungstheologie in Genesis 1 mit der Beschreibung des Entstehens der Welt und des Menschen, dessen Vernichtung und erneute Segnung in der Erzählung von der Arche Noah, über Abraham, Isaak und Jakob als die Väter des Volkes Israel, über die Josephsgeschichte, dem Auszug des Volkes Israel aus der Knechtschaft in Ägypten bis hin zur Landnahme, über die Beschreibung der Richter und der Könige Saul, David und Salomo und denen zur Zeit der Propheten; schließlich die Verbannung des Volkes Israels ins Exil nach Babylonien mit Rückkehr und Beginn des Aufbaus eines Tempels in Jerusalem um 538 vor unserer Zeit. Im Buch des Propheten Sacharja in Kapitel 9, 9 wird beschrieben, dass der gerechte König in der Zeit des messianischen Friedensreiches auf einem Füllen einer Eselin in Jerusalem einziehen wird und Israel frohlocken wird. So auch im Buch des Propheten Zefanja in Kapitel 3, 14. Dieses Bild des Füllens einer Eselin taucht bereits in der Segnung Judas durch Jakob in Genesis 49, 11 auf und wird wieder in den synoptischen Evangelien im Zusammenhang mit dem Einzug Jesu in Jerusalem aufgegriffen, die damit die Verheißung eines messianischen Friedensreiches als erfüllt ansehen. Damit wird Jesus in den Evangelien als der in den Schriften des jüdischen Volkes beschriebene endzeitliche König und dementsprechend als der Messias (der Gesalbte, der Christus) beschrieben, der diesen heilsgeschichtlichen Ablauf zur Vollendung bringt.

 
Die Juden hatten von Mose das Gesetz, das sie in einer Bundeslade im Allerheiligsten des Tempels aufbewahrten. Dabei galt die Stiftshütte, die Mose bauen sollte und in der Gott die Israeliten durch die Wüste begleitete, als Vorstufe des Tempels. Um 1200 v. Chr. hatten sich die zwölf Stämme Israels zu einem Verbund zusammengeschlossen. Um 926 v. Chr. zerfiel dieses Reich des Volkes Israel in das Südreich Juda mit seiner Hauptstadt Jerusalem und in das Nordreich Israel mit der Hauptstadt Sichem.

 
Eine der Hauptaussagen des Alten Testaments ist der Bund, den Gott mit den Israeliten geschlossen hatte beim Auszug aus Ägypten. Dieses Schließen eines Bündnisses zwischen Gott und den 12 Stämmen Israels wird im Buch Exodus beschrieben. Das Buch Exodus beschreibt einen Bund, an den sich die Israeliten jeweils am sogenannten Passafest erinnern sollten. Bei diesem Auszug aus Ägypten galt das Blut als Zeichen der Verschonung durch Gott.

 
Diesen Bund zwischen Gott und den 12 Stämmen Israels erneuert Jesus beim letzten Abendmahl mit seinen 12 Jüngern, die symbolisch für die zwölf Stämme Israels stehen. Doch bereits mit dem auserwählten Personenkreis der zwölf Jünger durch Jesus deutet sich im Vergleich zu Genesis 49 an, dass die zwölf Jünger Jesu alles andere als tapfere Männer sind. Jesus vergleicht den Wein, den die Jünger beim Abendmahl mit Jesus trinken, mit seinem Blut, das mit seinem Tod am Kreuz vergossen werden wird.

 
Die Einsetzung des Passafestes in Exodus 12 dient der Erinnerung an den Auszug der Israeliten aus Ägypten. Jesus lässt seine Jünger zunächst in der Annahme, er wolle auch kultgemäß das Passafest mit ihnen feiern und dabei auch ungesäuertes Brot essen. Jesus schließt jedoch bei diesem Mahl mit seinen Jüngern einen neuen Bund und setzt damit sein Leben selbst ein, das er am Kreuz mit seinem Leib und Blut hingeben wird. Die Jünger werden sich später, als der Auferstandene das Brot bricht, daran erinnern.[4] Sie verstehen, dass mit diesem neuen Bund der Tod Jesu am Kreuz gemeint war, an den sie sich zukünftig beim Brotbrechen als Erlösung im Sinne des Verschonens vom Tod im Sinne des Passafestes erinnern sollen. Jesus vergleicht das Brot mit seinem Leib, der ans Kreuz geschlagen werden wird. Dieses Brot verteilt Jesus in Johannes 6, 1 – 59 an Viele zur Stillung ihres Hungers nach Gott, dem Brot des Lebens, mit dem er (Jesus) identisch ist. Damit wird das Heil „Vielen“ angeboten: die Jüngerschaft bleibt nicht mehr nur dem Hause Israel vorenthalten. Markus 14, 24 erweitert den Kreis der Zwölf auf „Viele“; ebenso wie Matthäus 26, 28 und Lukas 14, 15 – 24, während Lukas 22, 20 nur die 12 Jünger anspricht.[5] Jünger Jesu ist nach Markus 1, 17, wer Jesus nachfolgt. Zeichen eines Jesus nachfolgenden Jüngers ist die Selbstverleugnung und die Annahme des Kreuzes, die im Tod enden wird. Jesus kündigt seine Passion und seine Auferstehung drei Mal seinen Jüngern deutlich an. Diese Leidensankündigungen sollen bei den Jüngern ein Bewusstsein ermöglichen, dass sie bereits jetzt den Sinn des Leidens verstehen. Die Jünger hatten zunächst gemäß Markus 9, 10 keine konkrete Vorstellung, was Auferstehung bedeuten könnte. Jesus fragt seine Jünger in Markus 8, 27 – 30, für wen die Jünger ihn halten. Sie sagen: „Einige sagen, du seist Johannes der Täufer; einige sagen, du seist Elia; andere, du seist einer der Propheten.“ (Vgl. dazu Markus 6, 14 – 29; Matthäus 14, 1 – 12 und Lukas 9, 7 – 9 und Lukas 3, 19.20, wonach sich auch das Gerücht, Johannes der Täufer sei auferstanden und könne damit der Messias sein, ausgeschlossen werden konnte).
 

Was bedeutet das Wort „Messias“?

 
Zwar geht die Existenz jedes Christen und jeder Christin auf Christus Jesus zurück. Dennoch hat das Wort „Christ“ eine längere Tradition. Inwiefern? Christus ist an sich ein Hoheitstitel, der mit Salbung in Verbindung steht. Gesalbt wurden zur Zeit der Könige gemäß der Überlieferung im Alten Testament Menschen, die die Regierung übernehmen sollten. Die Bücher Samuel im Alten Testament beschreiben z. B. die Salbung des Sauls zum König und damit zum Volksregenten. Insofern ist Salbung eine Form der Inthronisierung eines Herrschers. Insofern steht natürlich das Christentum in Verbindung mit der Tradition des Judentums. Im Wort Messias steckt die Bedeutung eines Gesalbten, der quasi aus Gottes Gnaden Herrscher, Retter, Befreier und Beschützer sein soll. Das Judentum hofft noch heute auf einen kommenden Messias. Es kann Jesus von Nazareth nicht als Messias anerkennen, da das Friedensreich Gottes noch immer nicht eingetreten ist.

 
Im Neuen Testament wird beschrieben, dass die Jünger Jesu Jesus bereits anhand der geschehenen Wunder als Messias hätten erkennen können. Petrus hat zwar in Markus 8, 29 die richtige Vermutung: „Du bist der Christus!“ Dennoch erkennen die Jünger Jesus noch nicht als Messias. Jesus unternimmt einen weiteren Erklärungsversuch, um sich als Messias zu zeigen: In der Verklärungsgeschichte in Markus 9, 2 – 13 führt Jesus nur Petrus, Jakobus und Johannes[6] auf einen hohen Berg. Diese drei Jünger kannten ja die These, bei Jesus könnte es sich ja auch um Elia oder Mose handeln. Diese beiden Figuren (Mose und Elia) hatten innerhalb des Heilsgeschehens Gottes am Volk Israel eine bedeutende Funktion: Mose hatte das Volk der Israeliten aus der Knechtschaft in Ägypten ins gelobte Land geführt und am Berg Sinai das Gesetz von Gott erhalten, das die Israeliten über mögliche Übertretungen in Kenntnis setzten sollte, um so eine mögliche Bestrafung durch Gott vermeiden zu können, denn durch die Kenntnis des Gesetzes Gottes waren die Juden über Straftatbestände informiert. Dass Elia auch sehr wichtig wäre, das hatten sie bereits von Schriftgelehrten nebenbei gehört.[7] Und es kommt, wie es kommen muss: Elia und Mose erscheinen diesen drei Jüngern vor Augen. Und Petrus schlägt vor, gleich für jeden – Elia, Mose und Jesus - eine Art Stiftshütte zu bauen.[8] Ähnlich wie in der Wüste im Buch Exodus, wo eine Wolke über der Stiftshütte herzog, spricht Gott auch jetzt aus dieser Wolke und ruft eindeutig den drei Jüngern zu: „Das ist mein lieber Sohn, den sollt ihr hören.“ Daraufhin sind Mose und Elia weg, und nur Jesus ist von diesen drei exponierten Personen übrig geblieben.

 
Jesus will mit all diesen Dingen die Jünger dazu bringen, ihn zwar schon jetzt als den Christus zu wissen und in ihm den neuen Bund zu erkennen, was sich jedoch erst mit seiner Auferstehung vollends bestätigen sollte, denn nur Gott konnte den Toten auferwecken und damit „Vielen“ diesen neuen Bund anbieten. Jesus ist der wahre Messias. Mit aller Intensität arbeiten die Evangelisten daran, Jesus als diesen von den Juden erwarteten Messias zu beschreiben und zu identifizieren. In den synoptischen Evangelien wird dieses Wissen um den Christus quasi wie ein Geheimnis behandelt, das erst mit der Auferstehung Jesu gelöst wird. Die Wunder dienen literarisch dazu, Jesus als den wahren Messias, den Gesandten Gottes, gegen den Unglauben zu beweisen.[9]

 
Matthäus 11, 1 - 6 und Lukas 7, 18 - 23 fügen zusätzlich zu Markus noch als einen literarischen Zusatzbeweis die Frage des Johannes des Täufers ein, der ebenfalls den Lesern dazu dienen soll, auf Jesus als den Messias hinzuweisen: Johannes lässt die Jünger Jesu zu sich kommen mit der Bitte, Jesus die Frage zu stellen, wer Jesus nun eigentlich sei. Auch diese Stelle dient dazu, auf Jesus als den Christus aufmerksam zu werden und ihn anhand der Wunder als Christus auch tatsächlich annehmen zu können. Jesus fordert die Jünger daraufhin dazu auf, Johannes dem Täufer mitzuteilen: Dass Jesus der Christus, der echte gesalbte Gottes ist, der in die Welt kommen soll, erkennst du an seinen Wundertaten.

 
Im Verlauf des Aufstands der Juden gegen die römische Besatzungsmacht von 66 – 70 n. Chr., der durch die Forderung der Römer nach einem Kaiserkult und der Einführung einer kaiserlichen Kultstätte in Jerusalem ausgelöst worden war, kommt es im Jahr 70 n. Chr. unter dem römischen Kaiser Titus, dem Sohn Vespasians, zur Zerstörung Jerusalems und damit auch zur Zerstörung des Tempels der Juden. Auf die Zerstörung des Tempels spielt Markus 13, 1.2 an. In Markus 13, 3 - 37 folgt (ähnlich wie in Matthäus 24, 1.2 ff. und in Lukas 17, (20 -) 23 – 37 sowie in Lukas 21, 5 – 36) eine Darstellung des Endgerichtes und damit des Wiederkommens Christi auf diese Welt, der sogenannten Parusie, die sich jedoch nicht erfüllen sollte. Diese Hoffnung auf die Wiederkunft Christi in den synoptischen Evangelien hat keine direkte Parallelität im Johannesevangelium. Die Hoffnung auf die unmittelbare Erwartung der Wiederkunft Christi ist im Johannesevangelium bereits abgelegt. Als Beleg dafür könnte Johannes 21, 23 dienen. Für die Vermutung, dass der Schreiber des Johannesevangeliums auch der Verfasser der Offenbarung ist, sprechen Offb. 1, 2 und Offb. 22, 18.19, die direkt an Johannes 21, 24.25 anknüpfen. Auch Offb. 22, 17 erinnert an Johannes 7, 37.38. Johannes widmet der Hoffnung auf die Wiederkunft Christi, die in den synoptischen Evangelien noch erwartet wurde, demnach ein ganzes Buch in Form einer apokalyptischen Vision.

 
Im Jahre 133 n. Chr. wird unter Hadrian der jüdische Aufstand der Juden unterdrückt mit der Folge, dass Juden nicht mehr in Jerusalem wohnen durften. Die Juden zerstreuten sich dabei und lebten in der Diaspora. Johannes beschreibt in seiner Offenbarung vom Wiederkommen Christi in Offb. 21, 1 – 5 das Bild einer Hütte in Jerusalem (in Anlehnung an die Stiftshütte aus Exodus 26), die von Gott aus dem Himmel am Ende aller Tage als neues Jerusalem herabkommen wird als eine geschmückte Braut, die für immer mit Gott vermählt sein wird und die nicht mehr von Gott abfallen wird.

 
Johannes selbst befindet sich in der Diaspora auf der Insel Patmos, wie er selbst in Offb. 1, 9 zu verstehen gibt. Offb. 21 beschreibt eine Sehnsucht und Hoffnung der Juden nach der sehr einschneidenden Erfahrung der erneuten Zerstörung des Tempels aus dem Jahre 70 n. Chr., denn der Tempel in Jerusalem war schon einmal 587 v. Chr. von den Babyloniern unter der Führung Nebukadnezars zerstört worden. Das Buch des Propheten Jeremia berichtet davon. Nach dem Sieg über die Babylonier durch die Perser und dem damit verbundenen Edikt des Perserkönigs Kyros aus dem Jahr 538 v. Chr. durfte ein Teil der nach Babylon ins Exil verschleppten Juden wieder nach Jerusalem zurückkehren. Bei der Beschreibung von der Versiegelung eines Buches in Daniel 10 ist sehr wahrscheinlich an dieses Edikt gedacht, was auch Johannes in Offenbarung 5, 1 – 8, 5 aufgreift. Die Hoffnung der Juden, erneut als zwölf Stämme am Zionsberg in Eintracht miteinander leben zu können, die in Zefanja 3, 3 – 20 beschrieben wird, spielt auch in Offb. 14 eine Rolle. Auch Offb. 21, 12 beschreibt diese Hoffnung auf die Einheit der Stämme Israels.

 
Mit der Beschreibung des Untergangs der Hure Babylon in Offb. 17, 1 – 19 versucht Johannes einerseits den in der Diaspora lebenden Gemeinden durch 7 Sendschreiben an 7 Gemeinden (vgl. Offb. 1, 4 – Offb. 8, 5) Hoffnung auf eine erneute Rückkehr nach Jerusalem zu machen, indem er diese an die damalige Ermöglichung der Rückkehr aus dem Exil in Babylon erinnert. Johannes greift dabei die literarische Gattung der Visionen aus Amos 7 - 9 oder aus Daniel 7 auf. Das Bild des Drachen aus der Endzeitbeschreibung in Daniel 7 wird dabei von Johannes direkt aufgenommen.

 
Nach Offb. 15, 5 sieht Johannes den Tempel in Jerusalem mittlerweile im Himmel selbst errichtet. Dabei wird in Offb. 12 ein Bild einer Frau im Himmel beschrieben, die mit der Sonne bekleidet ist, die den Mond unter ihren Füßen hat und die eine Krone von 12 Sternen trägt. Diese Zahl der 12 Sterne könnte eine Anspielung auf das Bild der Sterne aus Deuteronomium 1, 10 und damit aus Genesis 15, 5 sein. Auch hier spielt sehr wahrscheinlich die Zahl der 12 Sterne an der Krone dieser Frau im Himmel auf den Verbund der zwölf Stämme Israels als 12 Söhne Jakobs an, die damit auch die Verbindung mit den zwölf Jüngern Jesu herstellt, die ebenfalls auf die baldige Wiederkunft Christi hofften. Der Himmel wird damit in Offb. 15, 5 und in Offb. 11, 19 als Ersatzort für den zerstörten Tempel in Jerusalem betrachtet. Weiterhin wird in Offb. 12 das Bild eines Drachen beschrieben, der gemäß Offb. 12, 9 mit der Schlange und damit dem Satan aus der Erzählung vom Sündenfall in Genesis 3 identifiziert werden kann. Die beschriebene Frau in Offb. 12 ist schwanger und befindet sich unter großen Qualen bei der Geburt eines Kindes – wie auch in Genesis 3, 16 beschrieben wird. Dieser Drache im Himmel fegt mit seinem Schwanz einen Teil der Sterne am Himmel weg. Der Apokalyptiker Johannes vergleicht die Schlange mit dem Satan, die in Genesis 3 die Frau Adams und damit auch Adam selbst verführt hatte. Daraufhin wurde die Frau von Gott damit bestraft, dass sie unter schweren Qualen ihre Nachkommen gebären muss. Bei der Erzählung von dem Kind, das die Frau in Offb. 12 mit ihrer Krone und den zwölf Sternen unter schweren Bedingungen auf die Welt bringen muss, wird sicherlich an die Erzählung der Flucht Marias und Josefs vor der Verfolgung des Herodes bei der Geburt Jesu in Matthäus 2 erinnert. In Offb. 12, 5 wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es sich bei dem Kind um einen Knaben handelt, der alle Völker mit einem eisernen Stab[10] weiden sollte: das Kind als Christus, der Messias. Die Flucht der Frau in die Wüste in Offb. 12, 6 spielt sehr wahrscheinlich auf die Flucht Marias mit Josef und dem Jesus-Kind in die Wüste Ägyptens an.


Johannes beschreibt drei weitere Tiere: einen Bären, einen Löwen und einen Panther, die er ebenfalls aus Daniel 7 übernimmt. Der Bär, der Löwe und die Schlange tauchen auch in der Endzeitrede im Buch des Propheten Amos in Kapitel 5, 18 – 20 auf. Dabei vergleicht der Prophet Amos das Endgericht mit dem Bild einer Finsternis und vergleicht dieses Ereignis des Endgerichts mit einem Mann, der von wilden Tieren verfolgt wird: Ein Mann flieht vor einem Löwen, begegnet dabei einem Bären und wird schließlich, nachdem er sich in einem Haus sicher glaubt, von einer giftigen Schlange gestochen.
 
Andererseits wird mit dem Bild des Drachen mit seinen sieben Häuptern und seinen sieben Kronen auch an den Kaiser in Rom angespielt, worauf die Erwähnung und der Vergleich der sieben Häupter mit sieben Hügeln als eine Anspielung auf die sieben Hügeln Roms hindeuten (vgl. Offb. 17, 9).
 
Ein Engel fährt schließlich vom Himmel herab, fesselt den Satan für tausend Jahre und wirft ihn in den Abgrund. Dabei wird in Offb. 20, 4 beschrieben, dass die, die nicht der Anbetung des Kaisers gefolgt waren, mit Christus 1000 Jahre regieren, was in Offb. 20, 5 mit der ersten Auferstehung umschrieben wird. Diese werden in Offb. 20, 6 als heilige und selige Priester Gottes und Christi beschrieben, über die der zweite Tod keine Macht haben wird. Es wird jedoch nach 1000 Jahren der Satan losgelassen werden, der die Völker an den vier Enden der Erde verführen wird. Im Zusammenhang mit diesem letzten Kampf fallen der Begriff Gog im Lande Magog. Johannes spielt damit höchstwahrscheinlich auf Hesekiel 38 an, womit die Zerstörung Ninives gemeint ist, die auch im Buch des Propheten Jona thematisiert wird, der sich als falscher Prophet erwies bei dem Wunsch, Ninive das Strafgericht zu prophezeien, da die Bewohner Ninives sich bekehrt hatten. Darauf spielen Hesekiel 38, 13.14 und Offb. 19, 20 sowie Offb. 20, 10 an.
 
Auch Jesus greift das Bild des Propheten Jona im Zusammenhang mit der Zeichenforderung der Pharisäer (Vgl. Matthäus 16, 1 – 4; Markus 8, 11.12 und Lukas 12, 54 – 56) auf. Eine Entsprechung im Evangelium nach Johannes ist auch in diesem Punkt im Vergleich zu den synoptischen Evangelien nicht zu finden. Auch dieses Faktum der fehlenden Bezugnahme auf diese Jona-Erzählung im Johannesevangelium spricht für die Vermutung, dass sowohl das Johannesevangelium als auch die Offenbarung auf denselben Autor zurück gehen. Johannes verarbeitet die Erwähnung des Propheten Jona erst in seinem Werk der Offenbarung.
 
Da sich die Ankündigung des Strafgerichts gegen Ninive als Irrtum entpuppte, für die symbolisch das Leben des Propheten Jona steht, wird sich der Endkampf mit dem Satan an den vier Enden Gog und Magog nach den 1000 Jahren am Ende aller Zeiten ebenfalls als bereits entschieden erweisen, denn so wie Ninive umkehrte und das Strafgericht gegen Ninive überflüssig wurde, so wird auch der Kampf gegen den Satan beim zweiten Tod gut ausgehen und es wird ein gerechtes Weltgericht ermöglicht werden, bei dem das Meer als Zeichen des Todes und des Untergangs gesehen wird, das Jona zu verschlingen drohte. Doch so wie Gott dem Jona einen Walfisch schickte, der ihn wieder aus dem Meer ausspie, nachdem er drei Tage im Bauch des Walfischs gefangen war, so hat Gott auch Jesus, den Gekreuzigten, am dritten Tage von den Toten auferweckt. Auch diese Erwähnung in der Offenbarung soll den Judenchristen in der Diaspora Mut machen, denn in Christus hat sich das Heil bereits erfüllt, ein für allemal. Die bereits geschehene Auferstehung Christi hat damit bereits das Weltgericht am Ende aller Tage im Voraus entschieden. Christus wird dabei in Offb. 22, 13 als der Anfang und das Ende gesehen. So wie die entscheidenden Kriege bereits gut ausgegangen sind und sogar nicht einmal das Strafgericht gegen die Hure Ninive nötig wurde und auch die Hure Babylon bereits besiegt ist, so sollen sich auch die in der Diaspora lebenden Judenchristen allezeit freuen und sich des Sieges des Lammes gewiss sein, denn das Heil ist bereits in der Auferweckung Christi von den Toten durch Gott Realität: die Judenchristen sollen darauf hoffen, dass das Ende der römischen Herrschaft auch besiegelt und abzusehen ist.
 
 
Ende des Exkurses (Einblick in biblische Zusammenhänge).
 
 
Es scheint ein Faktum zu sein, dass Menschen des 21. Jahrhunderts tendenziell die Aussagen der Bibel nicht mehr hören, annehmen und ernst nehmen (wollen, können). Menschen des 21. Jahrhunderts fühlen sich eher aufgeklärt im naturwissenschaftlichen Sinne: Sie lehnen von daher die christliche Predigt und die christliche Vorstellung einer wie auch immer gearteten Wiederkunft Christi ab. Der Gang in den christlichen Gottesdienst an jenem Mittwoch (Buß- und Bettag) vor dem sogenannten Ewigkeitssonntag wird insofern bei vielen Menschen – auch wenn sie auf dem Papier Christinnen und Christen sind – ausbleiben.

Der Heiligabend am 24. Dezember wird traditionell eher wahr genommen.
 
Was bleibt von der Idee eines Sinneswandels? Was bleibt von der Idee eines Buß- und Bettages?
 
Der Buß- und Bettag bereitet uns – wie beschrieben – auf die Adventszeit vor.
 
Die Adventszeit ist regelmäßig die vierwöchige Vorbereitungszeit auf das christlich angehauchte Weihnachtsfest. Ist Weihnachten eher ein heidnischer Kalendertag, an dem der Wintersonnenwende gedacht wird? Ist Weihnachten das Fest der Liebe, der Harmonie oder eher die Zeit des Konsumrausches? Weihnachten - das Rausch-Fest mit Gänsebraten, abgeholzter Blautanne und Geschenken… "Alle Jahre wieder kommt…"... der Geschenke-Rausch: wir laufen „verrückt“ durch die Kaufhäuser, überlegen uns mit Anstrengung, was wir unseren Liebsten schenken könnten…und auch die Arbeitgeber zahlen uns „Weihnachtsgeld“…
 
Ist Weihnachten ein Tag oder ein Ereignis wie sonst auch?
   
 
Letzteres sicherlich nicht.
 
 
Dennoch bleibt die berechtigte Frage:
 
 
Wo müssen wir – jede/r für sich – einen Sinneswandel vornehmen?
 
 
Die Kerzen des Adventskranzes deuten es an. In der Adventszeit besteht die Möglichkeit über sich und das Leben ein wenig nachzudenken und selber zur Ruhe zu kommen, denn die Natur tut es auch, bis es im Frühling und Sommer wieder weiter gehen wird mit unserem gehetzten und sorgenvollen Leben, natürlich trotz aller Freude.


Mein Wunsch wäre an dieser Stelle:

Lasst Euch nicht allzu sehr vom Rausch und der Hetze der Advents- und Weihnachtszeit anstecken. Gönnt Euch an den Adventssonntagen einen gemütlichen Nachmittag z. B. bei einer Tasse Kaffee, Tee und/oder Kuchen und guten Gesprächen mit Freunden nach einem gemeinsamen Spaziergang und genießt einfach diese besinnliche Zeit ohne Hektik des Einkaufstrubels und ohne Geschenke-Wahn oder sonstigen Stress. Weihnachten mal ganz "minimalistisch" sehen - und trotzdem feiern. Das schönste Geschenk in unseren Tagen ist doch "Zeit", Zeit zu haben für den Partner bzw. Partnerin und natürlich auch für Euch selbst. Das Leben an sich ist schon genug von Hektik und Stress geplagt - warum dann auch noch in der Advents- und Weihnachtszeit?


Gewiss, Weihnachten beschreibt ein Gefühl der Freude - verbunden mit dem Wunsch nach Harmonie. Das ist auch gut so. Ja, Weihnachten ist das Fest der Freude. Aber wir sollten uns dieser Freude nicht nur an Weihnachten bewusst sein. Der Schlüssel zu Weihnachten ist die Liebe - Liebe zu mir selbst! Seid freundlich zu Euch selbst! Habt Respekt vor Euch selbst. Geht mit anderen Menschen so respektvoll um, wie Ihr auch mit Euch selbst respekt- und liebevoll umgeht. Lernt Euch zunächst im Selbst – in Eurem eigenen Spiegelbild – zu akzeptieren, bevor Ihr versucht, den anderen Menschen zu begegnen.
 
 
Dies könnte ein sinnvoller Sinneswandel sein:
 
 
eine liebevolle und von Respekt geprägte Sichtweise von mir/Dir zu erlangen, bevor Du jemandem begegnest.
 
 
Lerne mit Dir selbst in Kontakt zu sein.
 
 
Lerne mit Dir selbst zu kommunizieren, zu sprechen.
 
 
Lerne mit Dir selbst in einer liebevollen Beziehung zu leben.


Wie schaffe ich es...

  • mit mir selbst in Kontakt zu sein.
  • mit mir selbst zu kommunizieren, zu sprechen.
  • mit mir selbst in einer liebevollen Beziehung zu leben.

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"Chillen" könnte bedeuten, keine Langeweile zu haben, wenn ich mit mir alleine, wenn ich mit mir zusammen bin.


Wer es nicht schafft, alleine sein zu können, schafft es auch nicht, adäquat mit anderen zusammen sein zu können.


Rainer Langlitz



   
 
[1] Gedacht ist hier wohl sicherlich an das Leid des Menschen, das in den Tod mündet.

[2] Vgl. Hesekiel 11, 19

[3] Ich persönlich sehe in den 5 Büchern Mose eine Gründungslegende des Volkes Israel ähnlich der Äneis.

[4] Vgl. Lukas 24, 30 und 31.

[5] Vgl. dazu auch Matthäus 15, 21 – 28 und Markus 7, 24 -30. Lukas widmet dieser Tatsache („Viele“) ein ganzes Buch in Form der Apostelgeschichte.

[6] Vgl. Galater 2, 9: Hier werden Jakobus, Petrus (Kephas = griechisch für „Fels“) und Johannes als Säulen angesehen.

[7] Vgl. Die Bibel. Nach der Übersetzung Martin Luthers, Deutsche Bibelgesellschaft 1985, Sach- und Worterklärungen, S. 12: „Elia war ein Prophet der israelitischen Frühzeit, der nach Maleachi 3, 23 – 24 und nach jüdischen Erwartungen vor dem Endgericht und dem Anbruch der neuen Welt Gottes noch einmal auftreten sollte.“

[8] Man wird hier an die Vorstellung der Stiftshütte aus dem Buch Exodus erinnert.

[9] Vgl. dazu auch Exodus 4, 1 – 17 und Exodus 7, 1 – 13 und darüber hinaus auch die Berufung der Propheten, die Gott nach einem Zeichen ihrer Legitimierung bitten; (anders dagegen im Buch Jona, in dem exemplarisch dargestellt wird, wie die Berufung eines Propheten rückgängig gemacht wird).  

[10] Vgl. Psalm 23, 4.


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