Deismus und Theismus: Der Balanceakt zwischen Wissen und Glauben

Direkt zum Seiteninhalt

Deismus und Theismus: Der Balanceakt zwischen Wissen und Glauben

Rainer Langlitz
Veröffentlicht von Rainer Langlitz in Theologoumena · Dienstag 15 Mär 2022
Deismus und Theismus: Der Balanceakt zwischen Wissen und Glauben
 
 
Beim Deismus geht es meines Erachtens um die Fragen, die sich ja auch der große Immanuel Kant gestellt hat:

  • Was dürfen wir glauben?
  • Was können wir wissen?
   

Mit anderen Worten:

Deismus ist der Versuch, den Glauben dem Wissen anzunähern.


 

Wissen“ entwickelt sich aus dem „Glauben“:
 

  • Alt-Griechisch: ich glaube = pisteuo
  • Alt-Griechisch: ich weiß = epistamai
   

Daran wird deutlich, dass das Wissen aus dem Glauben entsteht.
 

Ich persönlich finde die bekannte Sentenz, die dem Philosophen Sokrates zugeschrieben wird, interessant:

"Ich weiß, dass ich nichts weiß."

 
Was wissen wir eigentlich von Gott?
Im Grunde genommen nichts.

 
Wir können im Glauben Vieles annehmen und eine ganze Theologie oder Dogmen über Gott aufstellen.
 

Es war sicherlich die Absicht der Gründer des Deismus, sich dieser „kreativen Theologie“ des Theismus entgegenzustellen und den Glauben an Gott mehr auf das Wissen auszurichten.
 

Die historisch-kritische Theologie setzte mit Hermann Samuel Reimarus (1694 – 1768) ein. Reimarus war ebenfalls Anhänger des Deismus.
 

An dieser Stelle möchte ich noch sagen, dass einer meiner Lehrer sagte:

„Die historisch-kritische Methode möchte nicht den Glauben zerstören, sondern den biblischen Texten ihr Recht zukommen lassen.“
 

Ich stelle mir dabei folgende Fragen:
 

Inwiefern muss der Glaube durch das Wissen abgedeckt sein? (Modalität des Glaubens).

Darf ich mich wider besseren Wissens und wider höherer (naturwissenschaftlicher) Wahrscheinlichkeit an einen Glauben halten, nur weil bzw. damit er mir persönlich Kraft gibt?
 
(Grund und der Zweck des Glaubens).
 

Der obige Satz einer meiner Lehrer möchte erreichen, dass wir objektiv an die biblischen Texte herantreten. Man betrachtet dabei die biblischen Texte zunächst als Literatur und nicht unbedingt als göttlich inspirierte Texte, so dass diesen Texten von daher schon eine höhere Autorität zukäme.
 

Was gibt aber dann diesen Texten der Bibel Autorität?
 

a) der Inhalt?
 
b) die zeitliche Nähe zu Jesus z. B. ?
 
c) der gewagte Versuch, von Gott zu sprechen, wer oder was er ist und was er tut?
 
d) der gewagte Versuch, Gott in der 1. Person sprechen zu lassen?
 
e) ?
 

Ich erinnere daran – um erneut den Zusammenhang herzustellen – dass es um die Frage geht, inwieweit Wissen und Glauben zusammenhängen.
 

Um es konkret zu machen: Es geht um die Frage:
 

Hatten die biblischen Schriftsteller über Gott mehr Wissen oder schrieben sie in einem tiefen Glauben (quasi in ihrem damaligen Weltbild), das heute als nicht mehr aktuell gilt?
 

Viele Theologen argumentieren in diesem Zusammenhang etwas ausweichend.
 

Sie konzedieren, dass zwar schon Glaube und Wissen getrennt werden müssen (was ich so gar nicht akzeptiere; siehe oben, denn ich sagte, dass sich Wissen aus dem Glauben heraus entwickelt). Aber dann sagen jene Theologen, dass es im monotheistischen Glauben gar nicht um den Gegensatz zwischen Glauben und Wissen gehe, sondern Glaube bedeute in etwa:

„sich festmachen in etwas im Sinne des festen Vertrauens“ (Glaube = Vertrauen).
 

Allerdings muss doch hier auch angemerkt werden, dass das Vertrauen auch eine gewisse Objektivität, Stabilität und so etwas wie eine auf Wissen beruhende Erfahrung benötigt.
 

Beispiel:
 
Eine Frau vertraut tief in Gott. Als ihr Sohn bei einem Verkehrsunfall ums Leben kommt, kommt ihr Glaube ins Wanken.
 

Was ist das Problem dabei?
 

Diese Frau vertraute darauf, dass ihr Gott in der Lage ist, sie und alles zu beschützen.
 

Mit jenem tödlichen Verkehrsunfall ihres Sohnes müsste sie sich die Frage stellen:

Habe ich zurecht geglaubt, dass Gott alles und jeden beschützt, indem er in der Lage ist, in diese Welt und in persönliche Angelegenheiten einzugreifen?
 

Die Erfahrung der Geschichte des menschlichen Lebens lehrt uns ganz deutlich, dass Gott nicht in diese Welt eingreift.
 

Ich würde aber nun nicht sagen, dass dies ein außerordentliches Spezifikum des Deismus ist, sondern ein wichtiger Nebenaspekt.

 
Besonderes Kennzeichen des Deismus scheint mir zu sein, den Glauben der Christen (bzw. der Theisten) an philosophischem Wissen auszurichten.


Rainer Langlitz


Es gibt noch keine Rezension.
0
0
0
0
0

Zurück zum Seiteninhalt