Das Böse in der Welt und Deeskalation

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Das Böse in der Welt und Deeskalation

Rainer Langlitz
Veröffentlicht von Rainer Langlitz in Essays · Dienstag, 30. Juni 2020 ·  6:15
Diplomatie zur Lösung von Konflikten

Eine aufschlussreiche Stelle innerhalb der Bibel zur Frage, wie mit dem Bösen in der Welt umzugehen sei, findet sich im Evangelium nach Matthäus im 13. Kapitel. In den Versen 24 - 30 lesen wir:

"24 Ein anderes Gleichnis legte er ihnen vor und sprach: Mit dem Reich der Himmel ist es wie mit einem Menschen, der guten Samen auf seinen Acker säte. 25 Während aber die Menschen schliefen, kam sein Feind und säte Unkraut mitten unter den Weizen und ging weg. 26 Als aber die Saat aufsprosste und Frucht brachte, da erschien auch das Unkraut. 27 Es kamen aber die Knechte des Hausherrn hinzu und sprachen zu ihm: Herr, hast du nicht guten Samen auf deinen Acker gesät? Woher hat er denn Unkraut? 28 Er aber sprach zu ihnen: Ein feindseliger Mensch hat dies getan. Die Knechte aber sagen zu ihm: Willst du denn, dass wir hingehen und es zusammenlesen? 29 Er aber spricht: Nein, damit ihr nicht etwa beim Zusammenlesen des Unkrauts gleichzeitig mit ihm den Weizen ausreißt. 30 Lasst beides zusammen wachsen bis zur Ernte, und zur Zeit der Ernte werde ich den Schnittern sagen: Lest zuerst das Unkraut zusammen, und bindet es in Bündel, um es zu verbrennen; den Weizen aber sammelt in meine Scheune!"


Der Evangelist Matthäus überliefert zugleich eine Deutung dieses "Gleichnisses". In den Versen 36 bis 43 lesen wir ebenfalls im 13. Kapitel:

"36 Dann entließ er die Volksmengen und kam in das Haus; und seine Jünger traten zu ihm und sprachen: Deute uns das Gleichnis vom Unkraut des Ackers! 37 Er aber antwortete und sprach: Der den guten Samen sät, ist der Sohn des Menschen, 38 der Acker aber ist die Welt; der gute Same aber sind die Söhne des Reiches, das Unkraut aber sind die Söhne des Bösen; 39 der Feind aber, der es gesät hat, ist der Teufel; die Ernte aber ist die Vollendung des Zeitalters, die Schnitter aber sind Engel. 40 Wie nun das Unkraut zusammengelesen und im Feuer verbrannt wird, so wird es in der Vollendung des Zeitalters sein. 41 Der Sohn des Menschen wird seine Engel aussenden, und sie werden aus seinem Reich alle Ärgernisse zusammenlesen und die, die Gesetzloses tun, 42 und sie werden sie in den Feuerofen werfen; da wird das Weinen und das Zähneknirschen sein. 43 Dann werden die Gerechten leuchten wie die Sonne in dem Reich ihres Vaters. Wer Ohren hat, der höre!"


Nach Auffassung dieses Textes sollen wir demnach das Unkraut (= Söhne des Bösen) während der Existenz der Welt nicht ausreißen. Wir sollen es sogar wachsen lassen, d. h. das Böse und das Gute bleiben - solange es die Welt gibt - nebeneinander. Erst bei Vollendung der Welt - quasi bei Projektende - wird das Unkraut in den Feuerofen geworfen. Mit anderen Worten: wir selbst sollen nicht zum Schwert greifen und sollen nicht in Eigenregie und quasi in Selbstjustiz gegen das Böse vorgehen.

Ich würde diese Aussage aus Matthäus 13 als Aufruf zu Deeskalation bezeichnen.

Warum?

In der Tat geschieht viel Böses in dieser Welt. Wenn wir jedoch selbst wiederum gegen das Böse vorgehen, sind wir dann nicht auch "böse" und lassen uns quasi vom "Teufel" in Versuchung bringen?

Darf Böses mit Bösem vergolten werden?

Gibt es einen Krieg, der gerecht sein könnte?

Dürfen wir gemäß Matthäus 13 gegen das Böse in Form des Terrorismus beispielsweise militärisch vorgehen, so dass wir damit wiederum andere Menschen (und Terroristen sind auch Menschen) töten?

Mätthäus 13 sagt "nein": Wir sollen das Unkraut nicht selbst (!) ausreißen.

Wenn wir es trotzdem ausreißen, verhalten wir uns gemäß "ius talionis": Gleiches mit Gleichem vergelten. Dies führt in aller Regel zu einer Gewalteskalation.

Die Geschichte der Menschheit zeigt jedoch an vielen Stellen, dass versucht wurde, Unkraut aus dem Acker auszureißen.

Beispiele gibt es viele:

Wir führen Krieg in Syrien.
Wir streiten uns, wir schlagen uns, wir töten uns mit Messern, Schwertern, (Atom-) Bomben usw.
Wir machen nach einer Reformation im 16. Jahrhundert eine Gegenreformation.

Matthäus 13 sagt:

STOP!

"Reißt das Unkraut nicht selbst (!) aus!"

Gott wird am Ende aller Tage dafür sorgen, dass mit dem Bösen, dem Unkraut, etwas passiert und gemacht wird.

Matthäus 13 ruft hier - wie gesagt - zur Deeskalation auf.

Die Welt zeigt sich. Sie besteht u. a. aus Pflanzen, Tieren und Menschen. Diese stehen in einem wechselseitigen Verhältnis aus quasi „Fressen und Gefressen-Werden“. Es herrscht in ihr quasi ein „Überlebenskampf“. Wir Menschen sind nicht per se „gut“ oder „böse“. Die Anteile an „gut“ und „böse“ sind unterschiedlich stark ausgeprägt. Darüber hinaus beschreiben die Begriffe „gut“ und „böse“ moralische Wertmaßstäbe, die zwar einerseits verallgemeinerbar sind, die jedoch andererseits auch kultur- und zeitabhängig sind. Bereits mit den sog. „Zehn Geboten“ versucht der Mensch einen Verhaltenscodex aufzustellen, der Grundsätze menschlichen Zusammenlebens regeln soll. Mit der Entwicklung der Menschheit – ausgehend vom Affen bis hin in die Gegenwart – sieht sich der Mensch genötigt, Regeln aufzustellen, denn er erkennt, dass Menschen viele Fehler begehen können, die für das Zusammenleben schädlich sind bzw. sein können. Insofern liegt hier keine göttliche Offenbarung vor, sondern die Gesetzgebung ist immanent und vom Menschen erfolgt.

Der Mensch muss sich soziologisch ordnen.

Der Mensch sollte diese Welt, so lange es möglich ist, als lebensfähigen Raum schützen für nachkommende Generationen.
Der Mensch ist auf der einen Seite intelligent und auf der anderen Seite stupide: er erkennt vieles, jedoch bei weitem nicht alles.

Und: er neigt dazu, sich selbst zu Grunde zu richten
a) hinsichtlich seiner Zukunft.
b) hinsichtlich seiner Mitmenschen.

All dies macht eine Ethik und sogar Gesetzgebung, die niemals abgeschlossen sein wird, notwendig.

Der Mensch hat Verantwortung für diese Welt. Das Trachten bzw. die Absicht und das Verhalten des Menschen sind gem. Genesis 6, 5-7 stets bösartiger Natur.

Nun könnte man fragen: Hat Gott hier einen Fehler in seinem Schöpfungswerk „Mensch“ eingebaut?

Jedoch: Was ist besser?: alles zu steuern quasi mechanisch und den Menschen zu kontrollieren?

Oder stattdessen die Welt als Projekt laufen zu lassen mit offenem Ende, um zu schauen, wie es funktioniert mit der Möglichkeit (!), jederzeit eingreifen zu können, wenn der HERR es denn wollte?

Übernehmen wir also Verantwortung für unser eigenes Tun, Dulden und Unterlassen; für unser eigenes Reden und für unser Denken.

Wenn wir Gott anklagten, wo kommen - wo kämen wir hin?

Gott muss das moralisch Einwandfreie sein und bleiben.

Gott muss der Maßstab sein für Wahrheit und Verhalten.

Klagen wir ihn an, so fallen wir in die Melancholie und in die Lethargie.

Es geht um unser Selbst in Abhängigkeit zu unseren Mitmenschen und zu Gott.

Wer ist der Richter? Ist die Passivität Mahatma Gandhis und sein damit verbundener gewaltfreier Widerstand richtig, angemessen und vorbildlich?

Oder müssen wir uns letzten Endes doch gegen das Böse in der Welt zur Wehr setzen?

Manchmal ist Diplomatie entscheidend.


Rainer Langlitz


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