Bund muss im Maskenstreit über 118 Millionen Euro Strafe zahlen. Wann kommt auf Bundesebene endlich ein Corona-Untersuchungsausschuss?
Veröffentlicht von Rainer Langlitz in Essays · Samstag, 20. Juli 2024 · 8:00
Das Bundesgesundheitsministerium ist am Freitag, dem 19. Juli 2024 vom Oberlandesgericht Köln im Maskenstreit zur Zahlung einer Strafe von 118,6 Millionen Euro verurteilt worden. Es droht dem Bund ein Rekordschaden von 2,3 Milliarden Euro. Können sich die Bundesregierung bzw. die Mehrheit der Abgeordneten des Deutschen Bundestages weiterhin einem Corona-Untersuchungsausschuss verweigern?
Im Rechtsstreit um den Kauf von Schutzmasken zu Beginn der Corona-Pandemie muss der Bund 85,6 Millionen Euro zahlen. Das Oberlandesgericht Köln hat zugunsten eines Maskenlieferanten entschieden. Hinzu kommen 33 Millionen Euro Strafe für Verzugszinsen...in Summe also eine Strafe für den Bund in Höhe von 118,6 Millionen Euro, die wir als Steuerzahler der Bundesrepublik Deutschland bezahlen müssen. Eine Revision des Urteils ist nicht zugelassen.
„Wir brauchen [...] Erkenntnisse (sc. "Was ist gut gelaufen? Welche Maßnahmen haben sich als falsch erwiesen oder wurden vielleicht gar nicht wirklich befolgt?"), um für die nächste Pandemie gewappnet zu sein, die – und das ist möglicherweise nur eine Frage der Zeit – kommen wird.“
(Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, KBV).
Zum Urteil des Oberlandesgerichts Köln im o. g. Maskenstreit schreibt die Autorin der WELT, Kaja Klapsa, in einem am 19. Juli 2024 veröffentlichten Artikel (Zitat):
"Das Bundesgesundheitsministerium hat eine millionenschwere Niederlage vor Gericht kassiert. Am Freitag verurteilte das Oberlandesgericht Köln das Haus von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zur Zahlung von 85,6 Millionen Euro an einen Lieferanten von Corona-Masken, genannt ILTS. Hinzu kommen Verzugszinsen, die sich Stand Freitag auf 33 Millionen Euro belaufen."
Zitat Ende.
Link und Quellenangabe:
Klapsa schreibt weiter (Zitat, a.a.O.):
"Das Urteil könnte – wie schon ein ähnliches Verfahren in zweiter Instanz aus dem Juni – eine Signalwirkung auf rund 100 weitere Klagen im Zusammenhang mit Corona-Masken haben, die vor Gericht anhängig sind. Sollte das Gesundheitsministerium diese ebenfalls verlieren, droht insgesamt ein Rekordschaden von 2,3 Milliarden Euro, der aus Haushaltsmitteln gezahlt werden müsste. Schon jetzt gilt die milliardenschwere Beschaffung von Corona-Masken unter dem damaligen Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) als einer der größten Steuerverschwendungsskandale in der Geschichte der Bundesrepublik."
Zitat Ende.
Wie kam es zu diesem Rechtsstreit?
Zum Hintergrund schreibt Klapsa (Zitat, a.a.O.):
"Am 9. April 2020 bekam das Unternehmen vom Ministerium einen Zuschlag für die Lieferung von 25 Millionen Corona-Masken bis Ende April 2020, davon 15 Millionen FFP2-Masken. Das vom Bund beauftragte Unternehmen Fiege, das die Maskenbeschaffung koordinierte, verschob den Anlieferungstermin auf den 12./13. Mai. Der Lieferant sagte den Termin zu, konnte ihn anschließend aber doch nicht einhalten. Er lieferte an den beiden Tagen lediglich 340.000 Masken – die verbliebenen mehr als 14 Millionen Masken wollte er zu einem späteren Zeitpunkt nachliefern. Doch dazu kam es nie: Das Ministerium trat vom Kaufvertrag zurück und berief sich auf eine „unzulässige Teillieferung“. Schon damals dürfte den Beamten im Ministerium klar gewesen sein, dass das Open-House-Verfahren völlig aus dem Ruder gelaufen ist und der Bund keine weiteren Masken braucht."
"Am 9. April 2020 bekam das Unternehmen vom Ministerium einen Zuschlag für die Lieferung von 25 Millionen Corona-Masken bis Ende April 2020, davon 15 Millionen FFP2-Masken. Das vom Bund beauftragte Unternehmen Fiege, das die Maskenbeschaffung koordinierte, verschob den Anlieferungstermin auf den 12./13. Mai. Der Lieferant sagte den Termin zu, konnte ihn anschließend aber doch nicht einhalten. Er lieferte an den beiden Tagen lediglich 340.000 Masken – die verbliebenen mehr als 14 Millionen Masken wollte er zu einem späteren Zeitpunkt nachliefern. Doch dazu kam es nie: Das Ministerium trat vom Kaufvertrag zurück und berief sich auf eine „unzulässige Teillieferung“. Schon damals dürfte den Beamten im Ministerium klar gewesen sein, dass das Open-House-Verfahren völlig aus dem Ruder gelaufen ist und der Bund keine weiteren Masken braucht."
Zitat Ende.
Dem Bundesgesundheitsministerium unter Jens Spahn (CDU) ging es also nicht schnell genug mit der Anlieferung der FFP2-Masken: Das Ministerium trat einfach vom Kaufvertrag zurück wegen Lieferverzug ("unzulässige Teillieferung").
Warum urteilte der Richter am Oberlandesgericht Köln auf diese Weise?
Auch dazu schreibt Klapsa (Zitat, a.a.O.):
"Der Richter am Oberlandesgericht Köln urteilte nun, dass das Ministerium dem Lieferanten eine nachträgliche Frist hätte setzen müssen und sich im „Annahmeverzug“ von mehr als 24 Millionen Masken befindet. Die Vereinbarung im Vertrag, es handele sich um ein „absolutes Fixgeschäft“, bei dem die Vertragspflichten nach Verstreichen des Liefertermins entfallen wären, sei unwirksam. Diese benachteilige den Lieferanten in einer „unangemessenen“ Weise. Dem Interesse des Gesundheitsministeriums, „kurzfristig einwandfreie, sofort verwendbare Schutzmasken zu beschaffen“, hätte auch mit der Setzung einer kurzen, nachträglichen Frist Rechnung getragen werden können, so das Gericht."
Zitat Ende.
Welche Bedeutung hat dieses Urteil im Maskenbeschaffungsskandal?
Dazu schreibt Klapsa (Zitat, a.a.O.):
"[...] Karsten Klein, Obmann der FDP-Bundestagsfraktion im Haushaltsausschuss, mahnt: „Dass der Bund heute vor dem Oberlandesgericht Köln erneut eine Niederlage erlitten hat, erhöht die Gefahr eines enormen finanziellen Schadens für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler.“ Für seine weitere Prozessführung müsse das Gesundheitsministerium die jüngsten Urteile berücksichtigen, um künftige Kosten so gering wie möglich zu halten.Angesichts eines Gesamtstreitwerts aller Klagen in Höhe von 2,3 Milliarden Euro drohe ein Schaden, der um ein Vielfaches höher sei als das CSU-Maut-Debakel, sagt Klein WELT. „Das Zustandekommen des Open-House-Verfahrens sowie allgemein die massive Überbeschaffung von Schutzmasken unter Jens Spahn müssen restlos aufgeklärt werden, im Zweifel durch das scharfe Schwert eines Untersuchungsausschusses.“ Unabhängig davon sei es weiterhin notwendig, dass die gesamte Corona-Politik durch eine Enquete-Kommission sachlich aufgearbeitet werde."
"[...] Karsten Klein, Obmann der FDP-Bundestagsfraktion im Haushaltsausschuss, mahnt: „Dass der Bund heute vor dem Oberlandesgericht Köln erneut eine Niederlage erlitten hat, erhöht die Gefahr eines enormen finanziellen Schadens für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler.“ Für seine weitere Prozessführung müsse das Gesundheitsministerium die jüngsten Urteile berücksichtigen, um künftige Kosten so gering wie möglich zu halten.Angesichts eines Gesamtstreitwerts aller Klagen in Höhe von 2,3 Milliarden Euro drohe ein Schaden, der um ein Vielfaches höher sei als das CSU-Maut-Debakel, sagt Klein WELT. „Das Zustandekommen des Open-House-Verfahrens sowie allgemein die massive Überbeschaffung von Schutzmasken unter Jens Spahn müssen restlos aufgeklärt werden, im Zweifel durch das scharfe Schwert eines Untersuchungsausschusses.“ Unabhängig davon sei es weiterhin notwendig, dass die gesamte Corona-Politik durch eine Enquete-Kommission sachlich aufgearbeitet werde."
Zitat Ende.
Es werden also wieder mal Rufe laut nach einem Untersuchungsausschuss.
Dass einiges in Bezug auf die Corona-Zeit falsch gelaufen ist, steht fest. Einfach weitermachen, als wäre nichts geschehen?
Das dürfen wir nicht zulassen.
Das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) veröffentlichte am 04. Juli 2024 unter der Autorenschaft von Elena Stickelmann einen Artikel mit dem Titel:
"Welche Bundesländer die Corona-Pandemie aufgearbeitet haben - und welche nicht"
Darin schreibt Stickelmann (Zitat):
"[...] es gibt [...] Länder ohne Ambitionen für eine Aufarbeitung, sogar sieben der 16 Bundesländer: Die Landtage in Bremen, Hamburg, Berlin, Bayern, Thüringen, Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern haben bisher keine Aufarbeitung der Corona-Pandemie angestoßen, wie die Landtage auf RND-Anfrage mitteilten. Weder spezielle Gremien wie Untersuchungsausschüsse und Enquetekommissionen noch Bürgerräte seien bisher als notwendig angesehen worden, um sich mit den während der Pandemie eingeführten Maßnahmen zu befassen."
Zitat Ende.
Link und Quellenangabe:
Stickelmann zitiert Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung (Zitat, a.a.O.):
"Als „dringend erforderlich“ bewertete Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung, eine Aufarbeitung der Corona-Maßnahmen – aus wissenschaftlicher, aber vor allem aus rechtlicher und politischer Sicht. „Dabei soll es nicht um Schuldzuweisungen gehen, sondern um die Frage: Was ist gut gelaufen? Welche Maßnahmen haben sich als falsch erwiesen oder wurden vielleicht gar nicht wirklich befolgt?“, sagte der KBV-Chef dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). „Wir brauchen diese Erkenntnisse, um für die nächste Pandemie gewappnet zu sein, die – und das ist möglicherweise nur eine Frage der Zeit – kommen wird.“ Die Nachwirkungen der Corona-Pandemie halten weiterhin an, obwohl die einst heiß diskutierten Schutzmaßnahmen wie Maskenpflicht, Impfkampagnen und Schulschließungen in der breiten Öffentlichkeit kaum noch thematisiert werden. Doch im Bundestag ist es längst nicht mehr allein die AfD, die fordert, die staatlichen Maßnahmen zur Bekämpfung von Corona, von denen die letzten vor einem guten Jahr ausgelaufen sind, im Rückblick neu zu bewerten. Auch Union und FDP haben längst eigene Vorschläge zur Aufarbeitung gemacht, und inzwischen signalisieren auch SPD und Grüne Offenheit. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) brachte zuletzt einen Bürgerrat als mögliches Instrument dafür ins Spiel."
Zitat Ende.
Ich zitiere im Folgenden aus der Internetseite www.bundestag.de (Zitat):
"Der Bundestag hat die Forderung der AfD-Fraktion zur Einsetzung des 2. Untersuchungsausschusses der 20. Wahlperiode (Bekämpfung des Corona-Virus, 20/3706) zurückgewiesen. Gegen den Antrag votierten am Mittwoch, 19. April 2023, in namentlicher Abstimmung 577 Abgeordnete, dafür waren 71 Parlamentarier. Der Abstimmung hatte eine Empfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung zugrunde gelegen. Die AfD forderte in dem Antrag, einen Untersuchungsausschuss zur Bekämpfung der Corona-Pandemie einzusetzen. Das 16-köpfige Gremium sollte „das Verhalten der Bundesregierung und ihrer Geschäftsbereichsbehörden im Zusammenhang mit der Bewältigung der Maßnahmen gegen das Coronavirus untersuchen“. Im Einzelnen sollte sich der Ausschuss ein „Gesamtbild der Handlungen und Unterlassungen der Bundesregierung und der ihr nachgeordneten Behörden vor und während der Sars-CoV-2-Pandemie verschaffen“. Dabei sollte er sich ein Urteil bilden zur Frage, ob die „massiven Eingriffe in die Grundrechte der Bürger und in das deutsche Wirtschaftsleben und der Lockdown tatsächlich geeignet, erforderlich und angemessen“ waren, auch mit Blick auf die Situation in vergleichbaren anderen Ländern. Vor allem wollte die AfD geklärt wissen, ob die Bundesregierung auf eine Pandemie durch das Coronavirus ausreichend vorbereitet war. Auf der Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse sollten Handlungsempfehlungen für den Fall einer zukünftig auftretenden Pandemie erarbeitet werden, schreibt die Fraktion. Als Untersuchungszeitraum nannte sie die Zeit vom 1. August 2019 bis zur Einsetzung des Untersuchungsausschusses."
Zitat Ende.
Können sich die Bundesregierung bzw. die Mehrheit der Abgeordneten des Deutschen Bundestages weiterhin einem Corona-Untersuchungsausschuss verweigern?
Der Bundestagsabgeordnete Patrick Schnieder (CDU/CSU) hatte bereits am 30. Oktober 2020 im Deutschen Bundestag dafür plädiert, einen ersten Antrag der AfD nach einem Corona-Untersuchungsausschuss abzulehnen. Seine damalige Begründung lautete sinngemäß:
Es sei verfassungsrechtlich nicht zulässig, eine Untersuchung durchzuführen, solange ein jeweils betreffender Sachverhalt (hier: Corona-Pandemie) nicht abgeschlossen sei.
Zur Rede von Patrick Schnieder vgl. folgenden YouTube-Link mit dem Titel:
"Bundestag will keinen Untersuchungsauschuss zur Corona-Pandemie"
Dass dies eine fadenscheinige Begründung war, zeigt sich nun, denn die Corona-Pandemie aus den Jahren 2020 - 2023 kann mittlerweile als beendet angesehen werden, und trotzdem ist die zweite Forderung der AfD-Bundestagsfraktion zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses bereits im April 2023 von der Mehrheit der Bundestagsabgeordneten abgelehnt worden.
Die Bürgerinnen und Bürger Deutschlands sollten jedoch ein berechtigtes Interesse an einer Aufarbeitung der Corona-Pandemie haben.
Deswegen ist m. E. unverzüglich ein solcher Untersuchungsausschuss - auch auf Bundesebene - zu beantragen und durchzuführen.
Rainer Langlitz
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