Anklage: Der Politiker Björn Höcke von der Partei AfD und seine Rede vom 29. Mai 2021 in Merseburg (Sachsen-Anhalt) mit einer Nazi-Parole "Alles für Deutschland" - Anzeige zurecht durch Sebastian Striegel, Grünen-Chef in Sachsen-Anhalt
Veröffentlicht von Rainer Langlitz in Essays · Samstag, 23. September 2023 · 13:45
Legal Tribune Online [1] schreibt am 19. September 2023 in seinem Artikel mit der Überschrift "Alles für Deutschland" strafbar? (Zitat):
"Björn Höcke ist wegen öffentlichen Verwendens verfassungswidriger Kennzeichen angeklagt. Er behauptet, obwohl Geschichtslehrer, nicht gewusst zu haben, was die Parole bedeutet. [...] Der Fraktionsvorsitzende der Partei Alternative für Deutschland im Landtag des Freistaats Thüringen, der Abgeordnete Höcke aus Lünen (NRW), Abitur in Neuwied (RP), erlernter Beruf: Oberstudienrat für Geschichte und Sport in Hessen, wird von der Staatsanwaltschaft Halle (Saale) beschuldigt, zum Abschluss einer Rede, welche er am 29. Mai 2021 bei einer Wahlveranstaltung seiner Partei in Merseburg vortrug, die Parole ausgerufen zu haben: "Alles für unsere Heimat, alles für Sachsen-Anhalt, alles für Deutschland!"
Zitat Ende.
Dazu schreibt Focus-online in seinem YouTube-Kanal [2] am 05. Juni 2023 (Zitat):
"Der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke ist wegen der Verwendung von NS-Vokabular angeklagt worden. Das teilte die Staatsanwaltschaft Halle am Montag mit. Björn Höcke wird das öffentliche Verwenden von Kennzeichen einer ehemaligen nationalsozialistischen Organisation zur Last gelegt. Das geht aus einer Meldung der Staatsanwaltschaft Halle hervor. Der AfD-Politiker sei im Ergebnis der Ermittlungen hinreichend verdächtig, in einer öffentlichen Rede den verbotenen Wahlspruch der SA (Sturmabteilung) der NSDAP „Alles für Deutschland!“ verwendet zu haben. Die SA war die paramilitärische Prügeltruppe der Nationalsozialisten. Dabei soll sich Höcke um Herkunft und Bedeutung der Formel bewusst gewesen sein. Höcke war vor seiner politischen Karriere Geschichtslehrer. Laut Staatsanwaltschaft stellte Höcke über seine Verteidigung die strafrechtliche Relevanz seiner Äußerung in Abrede. Die Staatsanwaltschaft Halle wies darauf hin, dass ein hinreichender Tatverdacht keine Vorverurteilung bedeute und die Unschuldsvermutung gelte. Die Rede fand auf einer Wahlkampfveranstaltung der Partei am 29. Mai 2021 in Merseburg vor rund 250 Zuhörern statt. Sebastian Striegel, Grünen-Chef in Sachsen-Anhalt hatte den AfD-Politiker damals angezeigt. „Die Äußerung erfolgt als Abschluss einer durchorchestrierten Rede durch den Vertreter einer Partei, die in Thüringen Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes ist“, schrieb er und wies darauf hin, dass Höcke als „Faschist“ bezeichnet werden darf, weil es eine überprüfbare Tatsache ist."
Zitat Ende.
"Alles für Deutschland" strafbar?, so fragt Legal Tribune Online (Herr Prof. Dr. Thomas Fischer).
Legal Tribune Online führt dabei zurecht § 86 StGB an, wo es heißt (Zitat, a.a.O.):
"§ 86 Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger und terroristischer Organisationen
(1) Wer Propagandamittel
- 1. einer vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärten Partei oder einer Partei oder Vereinigung, von der unanfechtbar festgestellt ist, daß sie Ersatzorganisation einer solchen Partei ist,
- 2. einer Vereinigung, die unanfechtbar verboten ist, weil sie sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet, oder von der unanfechtbar festgestellt ist, daß sie Ersatzorganisation einer solchen verbotenen Vereinigung ist,
im Inland verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht oder zur Verbreitung im Inland oder Ausland herstellt, vorrätig hält, einführt oder ausführt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer Propagandamittel einer Organisation, die im Anhang der Durchführungsverordnung (EU) 2021/138 des Rates vom 5. Februar 2021 zur Durchführung des Artikels 2 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 über spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und zur Aufhebung der Durchführungsverordnung (EU) 2020/1128 (ABl. L 43 vom 8.2.2021, S. 1) als juristische Person, Vereinigung oder Körperschaft aufgeführt ist, im Inland verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht oder zur Verbreitung im Inland oder Ausland herstellt, vorrätig hält, einführt oder ausführt."
(3) Propagandamittel im Sinne des Absatzes 1 ist nur ein solcher Inhalt (§ 11 Absatz 3), der gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung gerichtet ist. Propagandamittel im Sinne des Absatzes 2 ist nur ein solcher Inhalt (§ 11 Absatz 3), der gegen den Bestand oder die Sicherheit eines Staates oder einer internationalen Organisation oder gegen die Verfassungsgrundsätze der Bundesrepublik Deutschland gerichtet ist.
(4) Die Absätze 1 und 2 gelten nicht, wenn die Handlung der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen, der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dient.
(5) Ist die Schuld gering, so kann das Gericht von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen."
Zitat Ende.
§ 86a StGB führt weiter aus (Zitat):
"§ 86a Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen
(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
- 1. im Inland Kennzeichen einer der in § 86 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 oder Absatz 2 bezeichneten Parteien oder Vereinigungen verbreitet oder öffentlich, in einer Versammlung oder in einem von ihm verbreiteten Inhalt (§ 11 Absatz 3) verwendet oder
- 2. einen Inhalt (§ 11 Absatz 3), der ein derartiges Kennzeichen darstellt oder enthält, zur Verbreitung oder Verwendung im Inland oder Ausland in der in Nummer 1 bezeichneten Art und Weise herstellt, vorrätig hält, einführt oder ausführt.
(2) Kennzeichen im Sinne des Absatzes 1 sind namentlich Fahnen, Abzeichen, Uniformstücke, Parolen und Grußformen. Den in Satz 1 genannten Kennzeichen stehen solche gleich, die ihnen zum Verwechseln ähnlich sind.
(3) § 86 Abs. 4 und 5 gilt entsprechend."
Zitat Ende.
Mit § 86a StGB hatte sich bereits Dr. Roman Trips-Hebert in einer Arbeit der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages auseinander gesetzt mit demTitel "Das strafbare Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen - § 86a StGB im Spiegel der Rechtsprechung", die im September 2009 abgeschlossen wurde.
Auf Seite 14 dieser 21-seitigen Arbeit wird konkret jene (von Björn Höcke verwendete) Parole "Alles für Deutschland" erwähnt. [3]
Link zum Urteil des OLG Hamm vom 01. Februar 2006, Az 1 Ss 432/05 (siehe o. g. Arbeit, Fußnote 69):
Legal Tribune Online führt dazu weiterhin aus (Zitat, a.a.O.):
"Angeklagt ist er [sc. Björn Höcke] wegen des Verwendens eines Kennzeichens einer verfassungswidrigen Organisation. Dieses Vergehen ist in § 86a StGB mit Freiheitsstrafe von einem Monat bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen bedroht."
"Angeklagt ist er [sc. Björn Höcke] wegen des Verwendens eines Kennzeichens einer verfassungswidrigen Organisation. Dieses Vergehen ist in § 86a StGB mit Freiheitsstrafe von einem Monat bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen bedroht."
Zitat Ende.
Für die, die "etwas" geschichtsvergessen sind:
Der dtv-Atlas zur Weltgeschichte [4] führt auf den Seiten 461ff. folgendes aus (Zitat):
Seite 461:
"Adolf Hitler wird als Sohn eines Zollbeamten im österreichischen Braunau am Inn geboren. Er verlässt vorzeitig die Linzer Realschule (1905), lebt in Wien (1909 bis 1913), wo er sich vergeblich um Aufnahme in die Kunstakademie bemüht; verrichtet Gelegenheitsarbeiten, kampiert in Männerwohnheimen und Obdachlosenasylen und lebt vom Verkauf gemalter Postkarten. Sein politisches Denken ist kleinbürgerlich unausgegoren: altdeutscher Nationalismus, radikaler Antisemitismus prägen Hitlers Vorstellungen. 1913 siedelt er nach München über, nimmt als Kriegsfreiwilliger am Weltkrieg teil, dessen Ende er im Lazarett Pasewalk/Pommern erlebt. Nach München zurückgekehrt, wird er in der Presse- und Propaganda-Abteilung das Reichswehrgruppenkommandos IV verwendet.
Wie kam es zur Gründung der NSDAP? Welche Kennzeichen hat die NSDAP?
Im Januar 1919 kam es zur Gründung der Deutschen Arbeiterpartei (DAP) durch den Eisenbahnschlosser Anton Drexler (1884 bis 1942).
Im September 1919 besucht Adolf Hitler zum ersten Mal eine DAP-Versammlung und wird im selben Monat in die Partei aufgenommen.
1920 Verkündung des Parteiprogramms (>>25 Punkte<<) der DAP. Worum ging es in diesem Parteiprogramm?
· Förderung des Volkswohls (>>Gemeinnutz geht vor Eigennutz<<)
· Herstellung des Selbstbestimmungsrechts aller Deutschen und ihrer staatlichen Gleichberechtigung
· Aufhebung der Pariser Vorortverträge
· Ausschaltung des Judentums
· Brechung der >>Zinsknechtschaft<<
Die DAP wird in Nationalsozialististische Deutsche Arbeiter-Partei (NSDAP) umbenannt.
Im Juli 1921 wird Hitler Erster Vorsitzender der NSDAP.
1923 Hitler-Putsch in München. Hitler wird nach dem Misslingen des Aufstands zu 5 Jahren Festungshaft in Landsberg verurteilt. Hier schreibt er den ersten Teil seines Buches „Mein Kampf“ (der zweite Teil entsteht 1925 bis 1927).
1924 wird Hitler nach 8 Monaten vorzeitig entlassen. Es kommt zur Neugründung der NSDAP in München.
Die NSDAP jetzt nach dem Führerprinzip aufgebaut: an der Spitze steht der >>Führer<<, sein Stellvertreter und die Reichsleitung mit den Reichsleitern, politische Organisation in Gaue, Kreise, Ortsgruppen, Zellen, Blocks. Neben der Partei stehen die ebenso organisierten zum Teil paramilitärischen parteiorganisationen (SA, SS, HJ, BdM u. a.) und die angeschlossenen Verbände (DAF, NSV, Fachverbände der Ärzte, Lehrer, Juristen, Beamten usw.
Durch das Rednertalent Hitlers und Goebbels´ sowie durch die Publikationen Rosenbergs und mit Hilfe der Parteizeitung wird die nationalsozialistische >>Weltanschauung<< verbreitet und durch massenpsychologisch wirksame Großkundgebungen, Aufmärsche, Fackelzüge und Parteitage dem Volk >>eingetrommelt<<. Hitler betont, dass er legal zur >>Macht<< kommen wolle. Unterstützt von weiten Kreisen der Bevölkerung gelingt es der NSDAP, seit 1930 ihre Mandate im Reichstag ständig zu erhöhen und das Ziel, die Konstituierung des >>Dritten Reiches<< herbeizuführen (>>Machtergreifung<<).
Seite 471:
Nach dem Sturz des letzten SPD Reichskanzlers Müller und der zunehmenden Arbeitsunfähigkeit des Reichstages bildet der Zentrumspolitiker Heinrich Brüning (1885 bis 1970) eine neue Regierung (1930 bis 1932), die, von Hindenburg unterstützt, mit Hilfe des Artikel 48 gegen die Opposition der Linken (KPD) und extremen Rechten (DNVP, NSDAP) regiert. Die SPD toleriert zunächst die Politik Brünings (Bekämpfung der sich verschärfenden Wirtschaftskrise in Form wachsender Arbeitslosigkeit). Brüning betreibt eine deflationistische Wirtschaftspolitik (>> Notverordnungen zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen<<: Senkung der Löhne und Gehälter, der Preise und Arbeitslosenentschädigung, Steuererhöhung u. a.).
Im September 1930 finden Reichstagswahlen statt: Stimmengewinne der KPD und NSDAP. Zunehmende Radikalisierung der Innenpolitik.
1931 Bildung der >>Harzburger Front<< durch NSDAP und die DNVP sowie der >>Eisernen Front<< durch SPD (>>Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold<<, einer Schutzformation gegen die Gewalttaten der SA.
1932 Wiederwahl Hindenburgs
Juni bis Dezember 1932 >>Kabinett der nationalen Konzentration<<: Übergang zur reinen Präsidialregierung.
Reichskanzler wird Franz von Papen (1879 bis 1969). Am 4. Juni 1932 wird der Reichstag aufgelöst. Es folgt die Aufhebung des Verbots von SA und SS.
Juli 1932 Reichstagswahlen. Die NSDAP wird stärkste Partei. Hindenburg lehnt Hitler als Kanzlerkandidaten ab.
Januar 1933 Wahlsieg der NSDAP bei den Landtagswahlen im Kleinstaat Lippe.
Am 4. Januar 1933 vereinbaren Hitler und von Papen im Hause des Bankiers Schröder eine gemeinsame Regierungsbildung.
Am 22. Januar 1933 erteilt der Reichspräsident Paul von Hindenburg seine Zustimmung zur Berufung Hitlers als Reichskanzler und zu Reichstagsneuwahlen. Damit wird die Machtübernahme Hitlers und zugleich das Ende der Weimarer Republik eingeleitet.
Das Problem der Republik von Weimar war unter anderem, dass den Bürgern das republikanische Bewusstsein und politische Erfahrung fehlten. Die NSDAP wurde immer stärker und gab dem Volk die Illusion eines von ihr zu schaffenden starken Staatswesens. Die NSDAP versetzt dem Parlament den Todesstoß: die NSDAP stört - oft im Bündnis mit der KPD - bis zu ihrem Wahlsieg 1932 jede kontinuierliche Arbeit, um dann schließlich legal die Regierungsgewalt zu erlangen.
Am 30. Januar 1933 ernennt Paul von Hindenburg Hitler zum Reichskanzler. Es erfolgt die Vereidigung der Präsidialregierung Hitlers, der Koalitionsregierung des Nationalen Zusammenschlusses. Der „Nationalen Revolution“ folgt nun die „legale Revolution“ und der Ausbau der Macht mit Hilfe des Notstandsartikels 48 mit dem Ziel der Befestigung der totalen Macht der NSDAP und des Führerprinzips durch Gleichschaltung.
Es folgt am 04. Februar 1933 die Aufhebung verfassungsmäßiger Grundrechte durch Verordnungen des Reichspräsidenten >>zum Schutz des deutschen Volkes<< und nach dem Reichstagsbrand am 27. Februar 1933 >>zum Schutz von Volk und Staat<< (Proklamation es Ausnahmezustandes vom 28. Februar 1933.
Nach den Wahlen zum Reichstag und dem Staatsakt in der Potsdamer Garnisonskirche vom 21. März 1933 (Tag von Potsdam) erfolgt die Ausschaltung des Parlaments: am 21. März 1933 erfolgt das >>Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich<< (>>Ermächtigungsgesetz<<).
Im März und April 1933 erfolgen >>Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich<<. Den Abschluss dieser Gleichschaltungsaktion bildet das >>Gesetz über den Neuaufbau des Reiches<<: Beseitigung der Länderparlamente und Auflösung des Reichsrats.
Auch die Polizeigewalt gerät in die hinter der NS-Macht: Bis 1936 wird die gesamte Polizei (seit 1934 >>Gestapo<<) dem Reichsführer Heinrich Himmler unterstellt. Es folgt die Bildung eines SS-Staates.
Seit Mai 1933 werden die Liquidation und die Auflösung beziehungsweise das Verbot von Parteien und Gewerkschaften vorangetrieben.
Am 1. Dezember 1933 erfolgt das >>Gesetz zur Sicherung der Einheit von Partei und Staat<<: Die NSDAP wird Staatspartei.
Nach dem 30. Januar 1933, dem Amtsantritt von Reichskanzler Adolf Hitler, kam es damit zu einem grundlegenden Verfassungswandel. Ohne dass die Reichsverfassung aufgehoben wurde, führten Hitlers Gesetze und Anordnungen zu einem neuen System. Nach dem Tod von Reichspräsident Hindenburg am 02. August 1934 vereinte Hitler die Ämter von Reichskanzler und Reichspräsident. Dies ließ er sich in einer fingierten Volksabstimmung bestätigen. Als Titel führte er daraufhin „Führer und Reichskanzler“.
Seite 483:
Wesentlicher Bestandteil der Schreckensherrschaft der NS-Diktatur ist der systematische Versuch der Durchführung der Judenvernichtung, der ebenfalls systematisch geplant wird:
01. April 1933 (Boykott-Tag): Die Aktion richtet sich hauptsächlich gegen jüdische Geschäftsinhaber, jüdische Professoren, Lehrer, Studenten Schüler, jüdische Rechtsanwälte und Ärzte.
15. September 1935 (>>Nürnberger Gesetze<<):
1.) >>Reichsbürgergesetz<<:
Verlust der bürgerlichen Gleichberechtigung für Juden.
2.) >> Gesetz zum Schutz des deutschen Volks und der deutschen Ehre<<:
Weitreichende Verbote werden gegen Juden erlassen.
09./10. November 1938 (>>Kristallnacht<<):
· Synagogen werden in Brand gesteckt.
· Friedhöfe werden geschändet.
· Jüdische Gebäude werden zerstört.
· cirka 26.000 männliche Juden werden verhaftet.
5,29 Millionen (mindestens) europäische Juden werden getötet oder kommen durch Vergasung in den Vernichtungslagern Auschwitz, Chelmo, Belzec, Sobibor und Treblinka um. Die meisten mit Deutschland verbündeten und befreundeten Mächte unterstützen durch antisemitische Gesetzgebung die Ausrottung der Juden. Erfolgreichen Widerstand leisten Finnland, Italien, Bulgarien, Dänemark.
Weiterhin definiert die NS-Schreckensherrschaft >>lebensunwertes leben<<, das es nach Meinung der Nationalsozialisten auszumerzen gilt:
Am 14. Juli 1933 erfolgt das >>Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses<<, das eine Sterilisierung bei bestimmten Erbkrankheiten vorsieht. Weiterhin führen die Nationalsozialisten ein Euthanasieprogramm durch, nach dem unheilbar Kranken der Gnadentod gewährt werden kann. Bis August 1941 werden infolge der Durchführung dieser verbrecherischen Willkürakte 70.000 Menschen getötet, für die auch "Arbeitsfähigkeit" und "Rasse" ausschlaggebend sind." [5]
Am 1. September 1939 erfolgt der deutsche Angriff auf Polen und damit der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges."
Zitat Ende.
Entsprechend zum dtv-Weltatlas der Geschichte schreibt Legal Tribune Online (Zitat, a.a.O.):
"Die Parole "Alles für Deutschland" war nicht irgendeine von zahllosen Phrasen, sondern die zentrale Losung der "SA" (Sturmabteilung) der nationalsozialistischen Bewegung ab Anfang der 1920er Jahre. Zunächst als "Saalschutz", später als paramilitärische Organisation in Konkurrenz zu Reichswehr und Polizei, spätestens seit der "Machtergreifung" (eher: demokratische Wahl der Diktatur) bis zu ihrer Liquidierung 1934 in tödlicher Konkurrenz zur "Schutzstaffel": Die völlige Unklarheit der Kompetenzen der Exekutiv- und Gewaltorgane war wesentliches Merkmal des NS-Staats."
Zitat Ende.
Kommen wir zurück zum Fall Björn Höcke und seiner Rede vom 29. Mai 2021, bei der Höcke die Parole "Alles für Deutschland" verwendet hatte.
Prof. Dr. Thomas Fischer führt abschließend in Legal Tribune Online aus (Zitat, a.a.O.):
"Ich will und kann damit der Beweisaufnahme des AG Halle (Saale) nicht vorgreifen. Aber immerhin sagen: Wenn der Angeklagte das nicht wüsste, wäre er wesentlich ungebildeter, als ein hessischer Oberstudienrat nach der gerichtlichen und Lebenserfahrung sein könnte. Da kann man dann gespannt sein, mit welchen Anträgen ein solches Maß an Ungebildetheit in der Hauptverhandlung unter Beweis gestellt werden wird. Insofern ist es – ein weiteres Mal – erstaunlich, wie obrigkeitshörig, kleinkariert und furchtsam sich die kleinbürgerlichen Protagonisten des angeblich erneuten Erwachens des Volks gerieren, wenn sie persönlich in Konflikt mit dem ihnen verhassten Rechts-"System" geraten. Es gilt in der Szene als "schlau" sich auf Schulbub-Niveau zu entlasten, statt die rechtsextreme Gesinnung zuzugeben. "Formal" immer gesetzes- und staatstreu, obgleich das das erste ist, was die "Volksfreunde" zerschlagen wollen. Genauso agierte auch die NSDAP in den 20er Jahren.
Antworten, im Ergebnis:
- "Kennzeichen" im Sinn von § 86a StGB sind ausdrücklich auch unkörperliche Symbole und Parolen.
- Die genannte Parole war die Leitparole der nationalsozialistischen "SA" und ist daher von § 86a Abs. 1 i.V.m. § 86 Abs. 1 StGB erfasst.
- Die Strafbarkeit des Verwendens dieser Kennzeichen beruht auf einem Konzept des Tabuisierens, das eine Veralltäglichung der Symbole verbrecherischer Organisationen und Parteien verhindern will. Durchgreifende verfassungsrechtliche Einwände dagegen bestehen nicht.
- Voraussetzung einer Bestrafung nach § 86a Abs. 1 StGB ist, dass der Täter das Wesen des von ihm verwendeten Kennzeichens kennt oder billigend in Kauf nimmt. Ob die Angabe eines Oberstudienrats für Geschichte und Vorsitzenden einer Landtagsfraktion, er habe die Bedeutung der von ihm verwendeten Parole nicht gekannt, glaubhaft ist, ist eine Tatfrage, die das Gericht zu entscheiden hat."
Zitat Ende.
Mein Plädoyer wäre:
Herr Björn Höcke (Politiker der Partei AfD) sollte vom Amtsgericht Halle (Saale) wegen dieser bewusst verwendeten Nazi-Parole klar und deutlich verurteilt werden.
Rainer Langlitz
Anmerkung(en):
[4] dtv-Atlas zur Weltgeschichte. Karten und chronologischer Abriss. Band 2, 25. Auflage 1991.
[5] Vgl. dazu auch den Artikel von Thomas Witzgall in: regensburg-digital, "Medizin im Nationalsozialismus: >>... und der Arzt wird der gefährlichste Mann im Staate...<<, veröffentlicht am 26.11.2012.
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