Sind Medienvertreter in ihrer Autorität und in ihren Aussagen höher einzustufen als Richter?
Veröffentlicht von Rainer Langlitz in Essays · Montag, 01. September 2025 · 6:00
Der Wahlausschuss der Stadt Ludwigshafen hatte am 05. August 2025 die Zulassung zur OB-Wahl (21. September 2025) von Joachim Paul (AfD) mit Mehrheit abgelehnt – mit der Begründung, Zweifel an seiner Verfassungstreue zu haben und ob er wirklich jederzeit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung eintreten könne. Grundlage war ein Schreiben des rheinland-pfälzischen Innenministeriums. Dieses Schreiben dokumentierte unter anderem:
- Öffentliche Äußerungen von Paul (z. B. zu „Remigration“)
- Kontakte zur Neuen Rechten und dem Identitären-Umfeld
- Beiträge für rechtsextreme Publikationen wie das österreichische Freilich-Magazin
- Eine frühere Ämtersperre wegen einer mutmaßlich rechtsextremen Geste
Ich möchte zunächst zur Einordnung einen zeitlichen Überblick in dieser Sache der Nichtzulassung von Joachim Paul zur Wahl zum Oberbürgermeister-Kandidaten der Stadt Ludwigshafen am Rhein geben:
Zunächst zur Person Joachim Paul:
Joachim Paul, geb. am 10. Juli 1970 in Bendorf, besuchte das Wilhelm-Remy-Gymnasium in Bendorf am Rhein und schloss dieses mit dem Abitur ab. Danach leistete er Wehrdienst im Feldjägerbataillon 740/251 in Mainz. Im Anschluss studierte Paul Germanistik, Geschichte, Politikwissenschaft und Soziologie an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, der University of Massachusetts Boston und der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Seit seinem Studium ist Paul Mitglied der Alten Breslauer Burschenschaft der Raczeks in Bonn. Nach seinem Studium war er als Lehrer am Albert-Schweitzer-Gymnasium in Kaiserslautern und danach an der Ludwig-Erhard-Schule (BBS) in Neuwied tätig.
Joachim Paul ist seit 2016 Mitglied des rheinland-pfälzischen Landtages und war von 2016 bis 2021 stellvertretender Vorsitzender der AfD-Fraktion im Landtag. Er war von 2015 bis 2021 stellvertretender Vorsitzender der AfD-Fraktion im Stadtrat von Koblenz. Von 2019 bis 2022 war er Beisitzer im AfD-Bundesvorstand.
Quelle: Wikipedia, Art. "Joachim Paul", Aufruf vom 01. September 2025, ergänzt durch eine Angabe des Oberverwaltungsgerichts von Rheinland-Pfalz vom 25. August 2025.
Am 21. September 2025 findet die Oberbürgermeisterwahl in Ludwigshafen statt.
14. Juli 2025:
Ein Schreiben der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion Rheinland-Pfalz (ADD) an die betroffenen Kommunen erinnert an die Anforderungen bei der Prüfung und Zulassung der eingereichten Wahlvorschläge.
§ 53 Abs. 3 Satz 1 der Gemeindeordnung von Rheinland Pfalz in der aktuellen Fassung sieht vor, dass nur zum Bürgermeister wählbar ist, wer (Zitat:) "die Gewähr dafür bietet, daß er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes eintritt." (Zitat Ende).

§ 8 Abs. 2 Satz 1 des Kommunalwahlgesetzes (KWG) in der Fassung vom 31. Januar 1994 sieht vor, dass der Wahlausschuss (Zitat) "über die Zulassung der eingereichten Wahlvorschläge zu beschließen" (Zitat Ende) hat.

§ 23 Abs. 3 Satz 1 und 2 des o. g. KWG:

17./18. Juli 2025:
Die Oberbürgermeisterin der Stadt Ludwigshafen am Rhein, Jutta Steinruck (SPD) wendet sich als Wahlleiterin in einem Schreiben an das Ministerium des Innnern und für Sport. In diesem Schreiben verweist sie auf Angaben zum Antragsteller Joachim Paul bei Wikipedia und im Verfassungsschutzbericht 2024 des Landes Rheinland Pfalz. Weiterhin bittet sie in diesem Schreiben um Mitteilung etwaiger objektiver Anhaltspunkte, nach denen die Verfassungstreue des Antragstellers Joachim Paul für ein kommunales Wahlamt nicht gegeben sein könnte. Sofern sie keine konkreten Hinweise erhalte, werde sie dem Wahlausschuss den entsprechenden Wahlvorschlag mit der Empfehlung der Zulassung vorlegen.
29. Juli 2025:
Die Abteilung Verfassungsschutz des Ministeriums des Innern und für Sport übersendet der Oberbürgermeisterin der Stadt Ludwigshafen am Rhein ein Schreiben mit relevanten offenen und gerichtsverwertbaren Erkenntnissen zum Antragsteller Joachim Paul.
05. August 2025:
Der Wahlausschuss entscheidet in seiner Sitzung (05. August 2025) mit 6:1 Stimmen, den Wahlvorschlag der AfD und damit den Antragsteller Joachim Paul zurückzuweisen. Zur Begründung führt der Wahlausschuss an, es sei zu bezweifeln, dass der Antragsteller die Gewähr dafür biete, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes einzutreten.
In einem Eilantrag an das Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße beantragte Joachim Paul, ihn als Kandidaten zur Wahl des Oberbürgermeisters der Stadt Ludwigshafen am Rhein am 21. September 2025 zuzulassen.
18. August 2025:
Das Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße lehnt den Eilantrag ab (vgl. Pressemitteilung Nr. 14/25 des Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße):
Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße, Beschluss vom 18. August 2025 – 3 L 889/25.NW
Link zur Entscheidung des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße:
Vgl. dazu auch LTO vom 21. August 2025:
Gegen diesen Beschluss legte Joachim Paul Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Koblenz ein.
25. August 2025:
Das Oberverwaltungsgericht Koblenz lehnt die Beschwerde des Antragstellers ab und bestätigt damit den Beschluss des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße:
Beschluss vom 25. August 2025, Aktenzeichen: 10 B 11032/25.OVG
(Vgl. dazu folgenden Link:
Fatina Keilani, eine Mitarbeiterin vom Ressort "Meinungsfreiheit" der WELT und Beatrice Achterberg, Redakteurin der NZZ hatten Unrechtmäßigkeiten bei diesem hier beschriebenen Vorgehen bemängelt.
Fatina Keilani sagte am 19. August 2025 bei WELT, der Wahlausschuss sei nicht befugt, über Inhalte (z. B. über die politische Ausrichtung eines Kandidaten) zu entscheiden. Weiterhin kritisiert Keilani das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße. Dieses Gericht hatte den Eilantrag von Joachim Paul, zur Wahl zum Oberbürgermeister der Stadt Ludwigshafen am Rhein zugelassen zu werden, als unzulässig abgelehnt. Keilani sagt, das Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße sei damit weit unter seinen Möglichkeiten geblieben.
Link und Quellenangabe zu den Aussagen von Fatina Keilani:
Beatrice Achterberg von der NZZ sagte bereits am 08. August 2025 bei WELT, dass dieses Vorgehen in Rheinland-Pfalz jeden, dem die Demokratie am Herzen liegt, erschüttern müsse. Es sei ein beispielloser Vorgang.
Link und Quellenangabe zu den Aussagen von Beatrice Achterberg:
Kurze rhetorische Frage:
Wem können wir mehr Vertrauen schenken:
a) zwei Frauen aus der Medienlandschaft
b) zwei Urteilen ordentlicher deutscher Gerichte (ein Verwaltungsgericht und ein Oberverwaltungsgericht)
?
Ich möchte an dieser Stelle noch an zwei Artikel aus dem Jahr 2023 erinnern:
SWR schrieb am 22. Dezember 2023:
"Koblenzer AfD-Abgeordneter Paul für parteipolitische Ämter gesperrt"
Link und Quellenangabe:
Rhein-Zeitung vom 21. Dezember 2023:
"AfD verbannt Joachim Paul aus Parteiämtern: Koblenzer Abgeordneter soll White-Power-Gruß gezeigt haben"
Link und Quellenangabe:
In diesen Berichten wird erläutert, dass der AfD-Landesverband Rheinland-Pfalz eine Ämtersperre gegen den Koblenzer Landtagsabgeordneten Joachim Paul verhängt hatte. Die Sanktion trat offenbar auf Drängen des Bundesvorstands in Kraft und sieht vor, dass Paul zwei Jahre lang keine Parteiämter ausüben durfte, darunter beispielsweise den Vorsitz im Koblenzer AfD-Kreisverband. Der Grund: Auf einem Foto soll Paul eine Geste gezeigt haben, die als rechtsextrem gilt — der sogenannte „White-Power-Gruß“, welcher dem „OK“-Zeichen ähnelt.
Später erfolgte eine Abschwächung dieser Maßnahme: Die Sperre wurde in eine formelle Abmahnung umgewandelt.
Mit anderen zusammengefassten Worten:
Joachim Paul ist m. E. zurecht vom Wahlausschuss der Stadt Ludwigshafen am Rhein nicht zur Wahl zum Oberbürgermeister dieser Stadt zugelassen worden.
Joachim Paul ist m. E. zurecht vom Wahlausschuss der Stadt Ludwigshafen am Rhein nicht zur Wahl zum Oberbürgermeister dieser Stadt zugelassen worden.
Derzeit sehe ich auch keinen Anlass, die Entscheidungen der beiden o. g. Gerichte (Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße und Oberverwaltungsgericht Koblenz) in Frage zu stellen und damit die Autorität dieser beiden Gerichte anzuzweifeln.
Rainer Langlitz
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