Direkt zum Seiteninhalt

Ist Kriegsdienstverweigerung im Kriegsfall möglich?

Menü überspringen
Menü überspringen
Menü überspringen

Ist Kriegsdienstverweigerung im Kriegsfall möglich?

Rainer Langlitz
Veröffentlicht von Rainer Langlitz in Essays · Dienstag, 25. Februar 2025 · Lesezeit 10:30
Einleitung:

Heute Morgen am Dienstag, dem 25. Februar 2025 kam mir ein Artikel von Kathrin Groh vor die Augen. [1] Dieser Artikel wurde am 24. Februar 2025 veröffentlicht und trägt den Titel:

"Kriegsdienstverweigerung im Kriegsfall verboten"

Link zu diesem Artikel:


In diesem Artikel beleuchtet Kathrin Groh eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) [3] vom 16. Januar 2025: [4] Nach Meinung der Richter am BGH könne demnach im Kriegsfall das Grundrecht auf Kriegsdienstverweigerung aus Art. 4 Abs. 3 GG [5] ausgesetzt werden.

Kathrin Groh stellt die Entscheidung des BGH in Frage und hält die Entscheidung bzw. den Beschluss des BGH, nach dem im Kriegsfall das Grundrecht auf Kriegsdienstverweigerung aus Art. 4 Abs. 3 GG ausgesetzt werden könne, für (Zitat) "falsch".

Kurz zum Hintergrund zur Entscheidung des BGH vom 16. Januar 2025 (Zitat):

"Der BGH hatte über einen ukrainischen Staatsbürger zu entscheiden, der  in Deutschland den Kriegsdienst aus Gewissensgründen verweigert und  gehofft hatte, dies schütze ihn gegen seine Auslieferung in die Ukraine.  Die Ukraine hat das Recht auf Kriegsdienstverweigerung wegen ihres  Verteidigungskrieges gegen den russischen Aggressor nämlich ausgesetzt.  Der BGH erlaubt gleichwohl die Auslieferung von  Kriegsdienstverweigerern, beschränkt sie aber allgemein auf den Fall,  dass ein ersuchender Staat wie die Ukraine mit völkerrechtswidriger  Waffengewalt angegriffen wurde." [6]

Zitat Ende.

Was würdest Du nun tun, wenn Du zum Kriegdienst im Kriegsfall einberufen werden würdest?

Würdest Du der Einberufung folgen?

Wärst Du bereit, Dein Leben zu geben für Dein Land?

Wie wichtig ist Dir Dein Leben?

Was ist Dir wichtiger:

a) Dein Land, in dem Du lebst.
b) Dein eigenes einmaliges Leben.

?

Diesem Dilemma sehen sich derzeit Männer aus der Ukraine innerhalb des Russland-Ukraine-Krieges ausgesetzt, wenn sie beabsichtigen zu desertieren.

CDU-Verteidigungspolitiker Roderich Kiesewetter hatte gemäß einem Artikel von BILD vom 22. Dezember 2023 eine Bürgergeld-Aussetzung für wehrfähige Ukrainer in Deutschland ins Spiel gebracht.

Kiesewetter soll lt. BILD dem Nachrichtenmagazin SPIEGEL gesagt haben (Zitat):

„In Deutschland leben rund 200 000 ukrainische Männer im wehrfähigen  Alter, die in der Ukraine bei der Unterstützung des Landes im Verteidigungskampf fehlen.“ Es sei richtig, dass die Ukraine sich bemühe, sie zurückzuholen. Kiesewetter schließt sich Umjerow an: „Das  ist auch eine Frage der Gerechtigkeit den kämpfenden Soldaten und ihren  Familien gegenüber.“

Zitat Ende.

Quellenangabe und Link:


Vgl. dazu auch meinen Blogartikel vom 22. Dezember 2023 mit dem Titel:

"Roderich Kiesewetter (CDU)  und der Umgang mit desertierenden, wehrfähigen Ukrainern oder "Stell  Dir vor, es ist Krieg, und Keiner geht hin"

Link:


Diese Thematik spitzt sich aber auch in Bezug auf den o. g. Artikel von Kathrin Groh i. V. mit der Entscheidung des BGH vom 16. Januar 2025 auf die folgenden Fragen zu und könnte uns alle betreffen, falls irgendwann ein Spannungs- bzw. Verteidigungsfall eintreten sollte.

Dann stünden in der Tat die folgenden Fragen im Raum:

  • Ist Kriegsdienstverweigerung im Kriegsfall verboten?
  • Was passiert im Kriegsfall mit Kriegsdienstverweigerern?
  • Was sind ungeschriebene Treuepflichten des Bürgers gegenüber seinem Staat?

Dazu nun dieser Blogartikel.



Hauptteil:

Allgemein regeln Art. 80a GG den Spannungsfall und Art. 115a - 115l den Verteidigungsfall.

Die Einberufung zum Grundwehrdienst nach § 5 des Wehrpflichtgesetzes wurde zum 1. Juli 2011 ausgesetzt.  Seitdem ist die Wehrpflicht auf den (bisher nicht eingetretenen) Spannungs- und Verteidigungsfall beschränkt. Die Wehrpflicht in Deutschland bezeichnet die gesetzliche Pflicht männlicher deutscher Staatsbürger zur Ableistung von Wehrdienst in den Streitkräften der Bundesrepublik Deutschland. [7]



Kathrin Groh führt in ihrem Blogartikel im Wesentlichen folgende Passagen aus dem Grundgesetz (GG) bzw. aus dem Gesetz über die Verweigerung des Kriegsdienstes mit der Waffe aus Gewissensgründen (kurz: KDVG) an:

Art. 1 Abs. 1 GG
 
Art. 4 Abs. 1 GG
 
Art. 4 Abs. 3 GG
 
Art. 12a Abs. 2 und 3 GG
 
Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG
 
Art. 79 Abs. 3 GG
 
Art. 87a Abs. 1 GG
 
§ 1 Abs. 2 KDVG
 
§ 3 Abs. 2 S. 1 KDVG
 
§ 5 ff. KDVG
 
§ 11 Abs. 1 Nr. 1 KDVG

 
 
   
Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

 
   
Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.

 
   
Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.

 
   
(2) Wer aus Gewissensgründen den Kriegsdienst mit der Waffe verweigert, kann zu einem Ersatzdienst verpflichtet werden. Die Dauer des Ersatzdienstes darf die Dauer des Wehrdienstes nicht übersteigen. Das Nähere regelt ein Gesetz, das die Freiheit der Gewissensentscheidung nicht beeinträchtigen darf und auch eine Möglichkeit des Ersatzdienstes vorsehen muß, die in keinem Zusammenhang mit den Verbänden der Streitkräfte und des Bundesgrenzschutzes steht.
 
(3) Wehrpflichtige, die nicht zu einem Dienst nach Absatz 1 oder 2 herangezogen sind, können im Verteidigungsfalle durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes zu zivilen Dienstleistungen für Zwecke der Verteidigung einschließlich des Schutzes der Zivilbevölkerung in Arbeitsverhältnisse verpflichtet werden; Verpflichtungen in öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse sind nur zur Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben oder solcher hoheitlichen Aufgaben der öffentlichen Verwaltung, die nur in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis erfüllt werden können, zulässig. Arbeitsverhältnisse nach Satz 1 können bei den Streitkräften, im Bereich ihrer Versorgung sowie bei der öffentlichen Verwaltung begründet werden; Verpflichtungen in Arbeitsverhältnisse im Bereiche der Versorgung der Zivilbevölkerung sind nur zulässig, um ihren lebensnotwendigen Bedarf zu decken oder ihren Schutz sicherzustellen.

 
   
(1) Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über:
 
1.
 
die auswärtigen Angelegenheiten sowie die Verteidigung einschließlich des Schutzes der Zivilbevölkerung;

 
   
Eine Änderung dieses Grundgesetzes, durch welche die Gliederung des Bundes in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung oder die in den Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätze berührt werden, ist unzulässig.

 
   
Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf. Ihre zahlenmäßige Stärke und die Grundzüge ihrer Organisation müssen sich aus dem Haushaltsplan ergeben.

 
   
Wehrpflichtige, die als Kriegsdienstverweigerer anerkannt worden sind, haben im Spannungs- oder Verteidigungsfall statt des Wehrdienstes Zivildienst außerhalb der Bundeswehr als Ersatzdienst nach Artikel 12a Absatz 2 des Grundgesetzes zu leisten.

 
   
Ab Antragstellung ist eine Einberufung zum Grundwehrdienst erst zulässig, wenn der Antrag unanfechtbar abgelehnt oder zurückgenommen worden ist.

 
   
(1) Im Spannungsfall (Artikel 80a des Grundgesetzes) und im Verteidigungsfall (Artikel 115a des Grundgesetzes)
 
1.
 
ist § 3 Abs. 2 Satz 1 nicht anzuwenden.


Der BGH hatte gemäß Kathrin Groh in seinem Beschluss vom 16. Januar 2025 auf ein ungeschriebenes Recht und auf sog. "überragende Treuepflichten des Bürgers gegenüber seinem Staat" hingewiesen. (Zitat):

"Wenn geschriebenes Recht keine Möglichkeit bereithält, Art. 4 Abs. 3 GG  einzuschränken, kann vielleicht ungeschriebenes Recht helfen, so der  BGH. In Anlehnung an eine rätselhafte Formulierung des BVerfG (BVerfGE 12, 45 [57 f.])  deutet er an, dass die Bürger eines Staates im Kriegsfall ihrem Staat  gegenüber „überragende Treuepflichten“ hätten, die ihnen eine Berufung  auf Art. 4 Abs. 3 GG verböten. Was immer das BVerfG hier gemeint haben  mag, der Satz stammt aus dem Jahr 1960. Das Gericht hat ihn nie  wiederholt. Die juristische Dogmatik zum Verhältnis von Bürger*innen und  Staat hat sich in den letzten 65 Jahren wesentlich verändert."

Zitat Ende.

Quellenangabe:

a. a. O.

Dazu nimmt Kathrin Groh in ihrem Schlussteil in Bezug auf den Beschluss des BGH vom 16. Januar 2025 folgendermaßen Stellung (Zitat):

"Es ist richtig, dass die Bürger eines Staates dessen geborene  Verteidiger sind. Die Annahme dahinter ist, dass das Volk in Waffen für  seinen Staat zuverlässig kämpfen wird, da es mit ihm zugleich auch den  Schutz seiner eigenen Freiheiten und Werte gegen äußere Angreifer  verteidigt. Diese Verpflichtung auf Gegenseitigkeit, die unter dem  Begriff der Grundpflicht behandelt wird, impliziert aber, dass es über  das geschriebene Recht hinaus ungeschriebene Rechtsverpflichtungen der  Bürger*innen gegenüber ihrem Staat geben kann. Das ist heute nicht mehr  haltbar. Nur das Grundgesetz selbst kann den Bürger*innen Grundpflichten  auferlegen. Über die durch Art. 4 Abs. 3 GG beschränkte Wehrpflicht aus  Art. 12a Abs. 1 GG hinaus schuldet der Bürger dem Staat sein Leben im  Krieg nicht. Um das Grundrecht auf Kriegsdienstverweigerung für den Fall  auszusetzen, für den es gemeint ist, nämlich für den Krieg, wäre eine  Verfassungsänderung nötig. Dafür müsste der enge Zusammenhang zwischen  Menschenwürde und Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen  allerdings argumentativ aufgelöst werden."

Zitat Ende.

Quellenangabe:

a. a. O.



Schlussteil:

Grundsätzlich gelten im politischen System Deutschlands im prioritären Sinne das Grundgesetz und im sekundären Sinne die Einzelgesetze.

Wie ist in diesem Zusammenhang das politische System der Bundesrepublik Deutschland skizzierbar?


Angaben nach UrhG:
Von dennis-Xp, Niabot, Atom3,141lz - Image:Politisches System in Deutschland.pngImage:Politisches System in Deutschland2.svg, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=4069921


Kathrin Groh hat als deutsche Rechtswissenschaftlerin an der Universität der Bundeswehr München den Beschluss des BGH kritisiert.

Wir erleben in der Ukraine seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine vom 22. Februar 2022 den Verteidigungsfall für die Ukraine.

In diesem Zusammenhang weisen div. Politiker der CDU, aber auch der SPD - und im Übrigen auch der AfD - auf die Wiedereinführung der Wehrpflicht hin.

Auch im Zuge der Amtsübernahme durch US-Präsident Donald Trump ist deutlich geworden, dass die USA von Deutschland und Europa erwarten, dass die europäischen Länder selbst nach dem Wiederherstellung eines Friedens zwischen Russland und der Ukraine für den Fortbestand des Friedens und für ein Verhindern des Ausbruchs eines erneuten Angriffs Russlands sorgen müssen.

Kathrin Groh schreibt in ihrem o. g. Blogartikel (a. a. O.) (Zitat):

"Um das Grundrecht auf Kriegsdienstverweigerung für den Fall auszusetzen,  für den es gemeint ist, nämlich für den Krieg, wäre eine  Verfassungsänderung nötig. Dafür müsste der enge Zusammenhang zwischen  Menschenwürde und Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen  allerdings argumentativ aufgelöst werden."

Wer hat nun Recht?

a) der BGH
b) die Rechtswissenschaftlerin

?

Scheinbar muss dieser Fall erneut dem Gesetzgeber vorgelegt werden (?).

Rainer Langlitz


Anmerkungen:

[1] Kathrin Groh (*1969 in Dortmund) ist eine deutsche Rechtswissenschaftlerin und Hochschullehrerin. Kathrin Groh ist Professorin für Öffentliches Recht an der Universität der Bundeswehr München. Der Artikel von Kathrin Groh, auf den ich mich beziehe, ist auf der Webseite "Verfassungsblog" veröffentlicht.

[2] Diese o. g. Webseite "Verfassungsblog" dient nach eigenen Angaben dem Schutz unserer Verfassung, die immer mehr unter Druck gerät. "Um unsere Verfassung schützen zu können, brauchen wir Wissen.". So lesen wir das Eingangsstatement dieser Webseite.

[3] "Der Bundesgerichtshof (BGH)[2] ist das oberste Gericht der Bundesrepublik Deutschland auf dem Gebiet der ordentlichen Gerichtsbarkeit und damit letzte Instanz in Zivil- und Strafverfahren. Ferner ist er für verwandte Spezialrechtsgebiete zuständig wie etwa das Berufsrecht in der Rechtspflege. Der BGH soll die Rechtseinheit wahren und das Recht fortbilden, vor allem aber die Entscheidungen der ihm untergeordneten Gerichte überprüfen. Er ist neben dem Bundesarbeitsgericht, Bundesfinanzhof, Bundessozialgericht und Bundesverwaltungsgericht einer der fünf obersten Gerichtshöfe des Bundes (Art. 95 Abs. 1 GG) und neben dem Bundesverfassungsgericht eines von zwei Bundesgerichten mit Sitz in Karlsruhe (§ 123 GVG), wobei zwei Senate des BGH in Leipzig angesiedelt sind. Hauptsächlich entscheidet der BGH über Revisionen gegen Urteile der Landgerichte und Oberlandesgerichte sowie über Rechtsbeschwerden gegen die Beschlüsse dieser Gerichte. Wie jedes Revisionsgericht erhebt er dabei – anders als ein Berufungsgericht – im Regelfall keine Beweise, sondern entscheidet lediglich darüber, ob das Urteil des Land- oder Oberlandesgerichts auf Rechtsfehlern beruht. In seiner Eigenschaft als Behörde ist der Bundesgerichtshof – wie der Bundesfinanzhof und das Bundesverwaltungsgericht – dem Bundesministerium der Justiz (BMJ) unterstellt und unterliegt – unter Wahrung der richterlichen Unabhängigkeit – dessen Dienstaufsicht."

Link und Quellenangabe:


[4] Link zur Entscheidung des BGH vom 16. Januar 2025:


[5] Im Art. 4 Abs. 3 GG heißt es:
 
"Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz."

Link und Quellenangabe:


[6] Link und Quellenangabe:




Es gibt noch keine Rezension.
Bewertung:
Anzahl von Bewertungen:0
Bewertung:
Anzahl von Bewertungen:0
Bewertung:
Anzahl von Bewertungen:0
Bewertung:
Anzahl von Bewertungen:0
Bewertung:
Anzahl von Bewertungen:0

Zurück zum Seiteninhalt